Frankreich

Mord aus Judenhass?

Gedenkkundgebung für Sarah Halimi vor der Französischen Botschaft Berlin (Mai 2021) Foto: imago images/Rolf Walter

Dienstag, 17. Mai. René Hadjadj, genannt Tonton (Onkelchen) René, ein 89-jähriger Jude aus Lyon, wird tot vor seinem Wohngebäude aufgefunden.

Schnell keimt die Vermutung auf, dass er nach einem Streit aus dem Fenster gestürzt wurde. Rachid Kheniche, ein Nachbar des Toten, gilt als verdächtig und wird in Untersuchungshaft gesteckt. Ein entsetzlicher Fall, der Erinnerungen weckt an den Tod Sarah Halimis im Jahr 2017. Der Vergleich aber endet bei der Todesursache und dem Fakt, dass die Opfer Juden, der Täter und der Tatverdächtige Muslime waren.

STAATSANWALT Die Befürchtungen, dass der vermeintliche Täter als schuldunfähig erklärt werden könnte, scheinen sich als unberechtigt zu erweisen. Die Organe der Rechtspflege zeigen sich in weit höherem Maße sensibilisiert für mögliche antisemitische Motive als in den vergangenen Jahren.

So tat der zuständige Staatsanwalt Nicolas Jacquet kund, dass keine Untersuchungshypothese ausgeschlossen werde. Recherchen in den sozialen Medien gaben Anlass, die Tatumstände hinsichtlich der Zugehörigkeit des Opfers zu einer bestimmten Ethnie, Nation, Rasse oder Religion zu untersuchen.

Kurzum: Antisemitismus als Tatmotiv. In diesem Fall greifen verschiedene Gesetze: Beleidigung und Diffamierung mit antisemitischer Konnotation, Provokation zum Rassenhass, wozu auch Antisemitismus gerechnet wird, und Holocaust-Leugnung.

Nebenkläger Das Bureau national de vigilance contre l’antisémitisme (BNVCA), ein Verein, der Antisemitismus kritisch beäugt und bekämpft, beabsichtigt, als Nebenkläger aufzutreten. Sammy Ghozlan, Präsident des Vereins, bezeichnet aufgrund von Recherchen den mutmaßlichen Täter als »notorischen und gewaltbereiten Antisemiten«.

Die Anzeichen verdichten sich, dass es sich um eine Straftat mit antisemitischem Hintergrund handelt.

In der Tat lohnt es sich, Kheniches Twitter-Profil zu durchforsten. Ein bizarres Amalgam stellen die Tweets des in Frankreich geborenen Vorbestraften mit algerischen Wurzeln dar. Hervor sticht vor allem seine Obsession für die Verschwörungstheorien des Schriftstellers Jacob Cohen, der sich als militanten Antizionisten bezeichnet, die französische Gesellschaft von Mossad-Kollaborateuren unterwandert sieht und sich im Umfeld des bekannten Rechtsradikalen Alain Soral, des Rassisten und Antisemiten Hervé Ryssen und des die Schoa leugnenden Komikers Dieudonné bewegt.

herkunft Auch William Goldnadel, Anwalt und Kolumnist auf CNews, stützt die antisemitische These. Kheniche habe ihn 2020 »in islamistischer Manier« an seine Herkunft erinnert.

Die Anzeichen verdichten sich, dass es sich um eine Straftat mit antisemitischem Hintergrund handelt. Abgesehen von der persönlichen Tragik des Falls sehen Beobachter darin einen Lackmustest für die französische Gesellschaft. Man sieht es als ein gutes Zeichen, dass den sogenannten Eingebungen des Täters dieses Mal weniger Gehör geschenkt wird als den deutlichen antisemitischen Verlautbarungen.

Großbritannien

Frauen haben Besseres verdient

Die Journalistin Marina Gerner beklagt in ihrem Buch fehlende Innovationen im Bereich Frauengesundheit – und eckt nicht nur mit dem Titel an

von Amie Liebowitz  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 28.11.2025 Aktualisiert

Niederlande

Demonstranten stören Vorlesung in Gedenken an Nazi-Gegner

An der Universität Leiden erzwangen antiisraelische Studenten die Verlegung einer Gedächtnisvorlesung zum Andenken an einen Professor, der während der Nazi-Zeit gegen die Judenverfolgung protestiert hatte

von Michael Thaidigsmann  28.11.2025

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Mit Kufiya und Waffen

Ein Kinderbuch mit Folgen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream - und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025