Luxemburg

Mitschuld anerkennen

Deportationsdenkmal in Luxemburg Foto: picture alliance / ZB

»Es war an der Zeit, die Fehler zu erkennen, die die Führung des Landes an einer Gemeinschaft begangen hat«, sagte der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel vergangene Woche anlässlich der Unterzeichnung eines Abkommens mit Luxemburgs jüdischer Gemeinde und der World Jewish Restitution Organization. Es regelt unter anderem Entschädigungen wegen Verbrechen und Enteignungen während der NS-Zeit.

Außerdem soll ein Ort des Gedenkens an die Opfer der Schoa entstehen. Dafür wird der Staat das Kloster Cinqfontaines (Fünfbrunnen) kaufen, das die deutschen Besatzer als jüdisches Sammellager nutzten. Von dort wurden die luxemburgischen Juden in die Vernichtungslager deportiert.

Gedenkzentrum Wenige Tage vor Unterzeichnung des Abkommens hatte Kulturministerin Sam Tanson der Vereinigung »MemoShoah« mitgeteilt, dass das Kloster zum nationalen Denkmal erklärt wurde. Es soll nun Bildungsort und Gedenkzentrum werden. Dafür stellt die Regierung 25 Millionen Euro zur Verfügung.

Darüber hinaus werden Bankkonten, Schließfächer sowie Versicherungspolicen, die von enteigneten Juden stammen, zurückgegeben, und die »Fondation pour la mémoire de la Shoah« soll bis 2050 mit einer jährlichen Summe von 120.000 Euro unterstützt werden.

Zudem sieht die Vereinbarung eine Zahlung von einer Million Euro an die Überlebenden des Massenmords vor. Und es wird festgehalten, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll, die sich um die Identifizierung möglicher NS-Raubkunst kümmert.

Erinnerungskultur Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz präsentierte man die Vereinbarung nun der Öffentlichkeit. Der Vorsitzende der Fondation luxembourgeoise pour la mémoire de la Shoah, François Moyse, nannte das Abkommen »historisch«. Jahrelang habe man um den Inhalt gerungen. Zwar werden die Bemühungen des luxemburgischen Staates allenthalben begrüßt, doch kritisieren viele, dass sie recht spät kommen.

Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz präsentierte man die Vereinbarung nun der Öffentlichkeit.

Das habe mit der Erinnerungskultur im Land zu tun, erklärte der Gründer von »MemoShoah«, Henri Juda, in einem Interview mit der Zeitschrift »Revue«. Die luxemburgische Nachkriegsgesellschaft habe die Schoa nicht thematisieren wollen. »Juden gehörten ja nicht zur ›Luxemburger Rasse oder Nation‹. In Luxemburg war nur die Gedenkkultur der Resistenzler und der Zwangsrekrutierten zugelassen. Der Widerstand wurde regelrecht aufs ganze Volk bezogen«, beklagt Juda.

Dabei waren Luxemburger Soldaten auch Teilnehmer am Judenmord im besetzten Polen. Die Geschichte der 14 Angehörigen des Hamburger Reserve-Polizeibataillons 101 hat jüngst Mil Lorang in seinem Buch L’ombre de la Shoah sur le Luxembourg (2020) nachgezeichnet.

erkenntnisse Auch diese Erkenntnisse haben wohl dazu beigetragen, dass das Großherzogtum nun eine unabhängige Forschung über die Rolle Luxemburgs während der Besatzung finanzieren wird. In den Schulbüchern des Landes wird über die Rolle luxemburgischer Freiwilliger während der Schoa bislang geschwiegen.

Doch das junge »Zentrum für politische Bildung« hat inzwischen hervorragende didaktische Materialien erarbeitet, wie der Holocaust im Unterricht umfassend behandelt werden kann. Und junge luxemburgische Historiker haben sich in den vergangenen Jahren von den hergebrachten Narrativen verabschiedet und die Judenverfolgung stärker in den Blick genommen.

Antisemitismus gab es indes schon vor der deutschen Besatzung in Luxemburg, und es gibt ihn auch heute noch, wie nicht zuletzt Leserkommentare unter online veröffentlichten Zeitungsartikeln über das neue Abkommen belegen.

Großbritannien

Der grüne Populist

Zack Polanski ist der neue Chef der Grünen. Möglicher Partner: ausgerechnet Jeremy Corbyn

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  18.09.2025

Belgien

Grabschändung am Todestag

Das Grab des jüdischen Politikers Jean Gol in Lüttich wurde genau 30 Jahre nach seinem Tod geschändet. Gols Tochter sieht einen eindeutigen Zusammenhang zum Nahostkonflikt

 18.09.2025

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025