Kommentar

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Politiker neigen häufig dazu, Entscheidungen zu treffen, die ihnen auch selbst nutzen. Das ist nicht nur in Amerika so. Man kann das politische Klugheit nennen oder man nennt es Opportunismus. Vielleicht ist es beides. Was viele Politiker meist nicht in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen, sind die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns.

Der Fall des linken Demokraten Zohran Mamdani, der am Dienstag mit rund 50 Prozent der Stimmen zum neuen Bürgermeister New Yorks gewählt wurde, ist ein Beispiel für dieses Verhalten. Mamdani ist erklärter Antizionist und Israel-Hasser. Trotzdem hat er auf Anhieb in der Metropole mit der größten jüdischen Gemeinde außerhalb Israels eine absolute Mehrheit der Stimmen hinter sich vereint.

Sein Rivale Andrew Cuomo – ein gemäßigter Demokrat, der als Unabhängiger antrat – kam auf rund 41 Prozent, ein Achtungserfolg. Vermutlich hat eine Mehrheit der jüdischen Wähler New Yorks für Cuomo gestimmt. Denn sein Kontrahent Mamdani hatte keine Hemmungen, selbst die abstrusesten antisemitischen Verschwörungstheorien zu verbreiteten.

So äußerte er 2023 bei der Versammlung einer linksradikalen Gruppierung den Satz: »Ihr müsst wissen: Wenn euch die NYPD den Stiefel auf den Hals drückt, wurde der von der IDF geschnürt.« Mit anderen Worten: Für Mamdani steckt hinter (angeblicher) Polizeigewalt in New York… die israelische Armee.

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Im Bürgermeisterwahlkampf lieferte er immer neue Beispiele für seinen Antizionismus. Dennoch hielten seine Anhänger unerschütterlich zu ihm – selbst dann, wenn sie heimlich auch entsetzt über seine Aussagen waren. Natürlich beteuerte Mamdani, er sei kein Antisemit. Natürlich behauptete er, es gehe ihm nur um das Wohlergehen der New Yorker.

Mamdani ist gar nicht das Hauptproblem. Das eigentliche Problem ist, dass seine Unterstützer in der eigenen Partei ihm geholfen haben, alle noch so berechtigten Vorwürfe wie Teflon an sich abprallen zu lassen. Führende Demokraten wie die Gouverneurin des Staates New York Kathy Hochul, die Generalstaatsanwältin Letitia James, der Minderheitsführer im US-Repräsentantenhaus Hakeem Jeffries, der altgediente jüdische Kongressabgeordnete Jerrold Nadler und Liz Krueger, Mitglied im Senat des Bundesstaates, haben Mamdani den Steigbügel gehalten. Sie haben seinen Wahlsieg erst möglich gemacht.

Gefährliche Entwicklung

Sie haben opportunistisch gehandelt. Nicht nur, weil sie die Siegchancen der Demokraten für das Bürgermeisteramt erhöhen wollten und dafür den Kandidaten unterstützten, der gerade den Wind in den Segeln hatte. Sondern auch, weil sie glaubten, so die eigenen Siegchancen bei künftigen Wahlen zu verbessern. Hochul, James, Jeffries, Nadler, Krueger & Co. haben ihr Fähnlein in den Wind gehängt. Sie standen in Treue zu Mamdani, weil der in den Umfragen weit vorn lag und schon lange vor der Wahl wie der sichere Sieger aussah.

Sie haben damit eine gefährliche Entwicklung ermöglicht, die mit der Wahl von Jeremy Corbyn zum Chef der Labour Party in Großbritannien 2015 vergleichbar ist. Auch damals wurden jüdische Anhänger mutwillig verprellt und in eine schwierige Position gebracht. Am Ende der Corbyn-Ära stand eine von Antisemitismus-Skandalen gebeutelte Partei, die für viele schlicht unwählbar war. Auch den Demokraten könnte nun ein solcher Linksruck bevorstehen, denn Mamdanis Beispiel könnte Schule machen.

Schon vor zwei Wochen brachte der New Yorker Rabbiner Elliot Cosgrove das Problem mit Mamdani auf den Punkt: Der Kandidat sei »eine Gefahr für die jüdische Gemeinde in New York«, sagte er, denn Mamdani unterscheide zwischen den »guten« (linken, antizionistischen) Juden und dem angeblich bösen jüdischen Staat, was eine unzulässige Trennung sei. Mamdani war egal, dass er der übergroßen Mehrheit der New Yorker Juden mit seiner Agitation vor den Kopf stieß.

Natürlich ist Kritik an der Politik der israelischen Regierung zulässig. Allzu häufig ist sie sogar berechtigt. Diese Kritik kommt auch aus der New Yorker jüdischen Gemeinschaft, sehr lautstark sogar. Das Problem ist auch nicht, dass Mamdani das Recht der Palästinenser auf Eigenstaatlichkeit befürwortet und sich um das Wohlergehen der Menschen in Gaza sorgt.

Aber er ist kein Freund der Zweistaatenlösung. Denn er will nicht, dass der Staat Israel als Heimstatt der Juden existiert. Mamdani bestreitet Israels Existenzrecht. Seine extremen antizionistischen Äußerungen sind keine rhetorischen Ausrutscher, die man ihm durchgehen lassen kann. Dafür ist die Liste zu lang.

Gewalt gegen Juden in Amerika wird billigend in Kauf genommen

Wenn künftig ausgerechnet das Stadtoberhaupt des Big Apple den Antisemitismus befeuert, wird das wie ein Brandsatz wirken. Kathy Hochul und Co. haben Zohran Mamdani unterstützt. In einem Beitrag in der »New York Times« betonte die Gouverneurin im September zwar, sie habe bei einigen Politikfeldern andere Ansichten als Mamdani (»Mr. Mamdani and I don’t see eye to eye on everything«). Das Thema Israel oder den Antisemitismus erwähnte sie mit keiner Silbe – auch das ein Statement.

Man muss es so deutlich sagen: Demokratische Politiker haben bei dieser Wahl billigend in Kauf genommen, dass aus Worten wieder Gewalt gegen Juden werden könnte. Als hätte Amerika nicht schon genug davon gehabt in den letzten Jahren …

Wenn demnächst wieder Namen wie Kathy Hochul, Liz Krueger oder Laetitia James um ihre Stimmen buhlen, werden viele jüdische Wähler, die traditionell Kandidaten der Demokraten unterstützen, ein Dilemma verspüren. Sie werden sich vielleicht erstmals überlegen, den Republikanern die Stimme zu geben. Ich bin einer dieser Menschen. Vielleicht hoffen die Demokraten, dass bis zum nächsten Wahlgang wieder alles vergessen sein wird. Aber da gibt es ein Problem: New Yorker Juden sind nicht bekannt für kollektive Vergesslichkeit.

Der Autor ist Dozent für Rechtswissenschaften an der Cornell Law School und der Columbia University in New York. Er war von 2009 bis 2023 Justiziar des Jüdischen Weltkongresses (WJC).

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