Chile

Leicht entflammbar

Eine jugendliche Torheit und sträfliche Unachtsamkeit könnte man es nennen. Im chilenischen Naturschutzpark Torres del Paine verbrannte der israelische Rucksacktourist Rotem Singer Toilettenpapier. Wenig später stand eine 12.560 Hektar große Waldfläche, knapp sieben Prozent des Parque Nacional, in Flammen. Mehr als 700 Feuerwehrleute waren im Einsatz, einige mussten mit schweren Brandverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Singer, der wie Tausende junger Israelis nach dem Militärdienst durch Lateinamerika reiste und auf einem Campingplatz im Naturschutzgebiet übernachtet hatte, wurde festgenommen, doch inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß. Dem 23-Jährigen wurde der Pass entzogen, er darf Chile nicht verlassen. Ihm drohen bis zu 60 Tage Haft und 300 US-Dollar Geldstrafe.

Singer bestreitet, das Feuer verursacht zu haben. »Sie haben mir das in die Schuhe geschoben«, sagte Singer in einem Interview, das vom Fernsehsender CNN Chile ausgestrahlt wurde. Freunde von ihm stützen seine Aussage. »Er hat Papier verbrannt, aber aufgepasst, bis es abgebrannt war«, berichtete ein Bekannter sowohl im chilenischen als auch im israelischen Rundfunk. »Das kann nicht Ursache für das Feuer sein.«

Schuldfrage Aber die strittige Schuldfrage ist nicht der Anlass für die Aufmerksamkeit, die der Fall des Israelis und das Feuer im Naturschutzpark in den chilenischen und israelischen Medien findet. Vielmehr zieht der Fall Kreise, weil sich in Chile seit dem Brand eine Welle von antisemitischen Anschuldigungen gegen Singer und Juden im Allgemeinen breitmacht. Eugenio Tuma, Abgeordneter der sozialdemokratischen Partei für die Demokratie (PPD), sagte im Rundfunk, er vermute zionistische Kreise hinter der Brandstiftung. Ihr Plan sei es, sich Patagonien anzueignen.

Tuma meint damit einen angeblich existierenden »Andenplan«. Danach sei die Brandstiftung Teil einer »Konspiration« gegen Chile und Argentinien – so posten rechte Kreise in Chile seit dem Waldbrand vom Jahresende –, um im Süden Lateinamerikas einen jüdischen Staat zu errichten. Tatsächlich gab es eine solche Idee. Im 19. Jahrhundert überlegte Theodor Herzl, Begründer des Zionismus, einen Judenstaat in Patagonien zu errichten. Aber das oppositionelle Senatsmitglied Tuma findet für das Verhalten des »israelischen Brandstifters« noch andere Erklärungen, die nicht weniger absurd sind: Die israelische Armee schicke ehemalige Soldaten, die aufgrund ihres »repressiven Einsatzes« in den »besetzten Palästinensergebieten« verhaltensgestört seien, unter anderem nach Chile in den Urlaub, erklärte er der Tageszeitung »Las Últimas Noticias«.

Der Christdemokrat Fuad Eduardo Chahin Valenzuela, der aus einer palästinensischen Familie stammt, sprang seinem Parlamentskollegen bei. Auf Twitter ließ er seine Freunde wissen, Rotem Singer sei nach Lateinamerika geschickt worden, nachdem er »palästinische Kinder getötet« habe.

Meinungsspalten Dass diese antisemitischen Ausfälle auf fruchtbaren Boden fallen, machen die Kommentare in Facebook, Twitter und den Meinungsspalten der Tageszeitungen, aber auch Prozessbesucher deutlich. »Dreckiger Jude« schrien einige Zuschauer, als Rotem Singer gefesselt dem Gericht vorgeführt wurde, ohne dass die Richter eingeschritten wären.

Matías Peña will »nichts mit Juden zu tun haben«, weil sie sich als »auserwählt fühlen würden«, kommentierte er einen der Zeitungsbeiträge über die Brandkatastrophe. »Jetzt stellen sich diese Ratten als Opfer hin, wie sie es mit dem Holocaust machen«, meint Paulo Cesar Gallardo Arevalo. Und Juanello J. Vargas Efimovich findet es »nicht antisemitisch«, wenn er fordert: Chile als friedliches, souveränes Land habe die Verpflichtung und das Recht zu handeln, wenn »ein potenziell kriegslüsternes und kolonialistisches Land systematisch Militärpersonal ins Land bringe«.

Die jüdische Gemeinde in Chile äußert sich zur Frage des möglichen Brandstifters derzeit nicht. Israels stellvertretender Außenminister Dani Ayalón hat die chilenische Regierung aufgefordert, gegen die »Welle des Antisemitismus« nach dem Brand vorzugehen, meldet die Jerusalemer Tageszeitung Yedioth Ahronoth. Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League (ADL), beklagte eine »Sündenbock-Suche bei Juden und Israel«. Die chilenische Führung müsse dies unverblümt verurteilen, forderte er.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025