USA

Krapfen mit Truthahn

»Thanksgivukkah« Foto: (M) Janine Martini

Thanksgiving ist ein Tag, den eigentlich alle Amerikaner feiern, ganz gleich, ob sie nun schwarz oder weiß sind, fremde oder einheimische Götter anbeten oder Religion für einen dummen Aberglauben halten.

Das Wichtigste an Thanksgiving ist das Essen. Es gibt immer viel zu viel davon. Der Star des Abends ist der Truthahn. Die meisten füllen ihn mit irgendetwas Gutem und schieben ihn dann in die Röhre. Dazu gibt es Cranberrysauce, Süßkartoffeln, Mais, Kürbis und zum Nachtisch »Pumpkin Pie« oder gedeckten Apfelkuchen.

Indianer Diese traditionelle Speisenfolge soll auf Gerichte zurückgehen, mit denen anno 1621 die Wampanoag-Indianer ein halb verhungertes Häuflein englischer Pilgerväter an der Küste von Massachusetts durchfütterten. Die Wampanoag waren ihrerseits von Seuchen und den Mikmaq-Kriegern, einem feindlichen Indianerstamm, schwer dezimiert worden. Die Wampanoag und die Pilgerväter freuten sich, dass sie noch einmal mit dem Leben davongekommen waren. Es handelt sich also um so etwas wie ein gojisches »Gomel«-Gebet.

Zu Thanksgiving kommt von nah und fern die gesamte Familie angereist; manche mieten einen ganzen Saal an. Die meisten Familien pflegen das Ritual, dass vor dem Essen jeder kurz sagt, worüber er oder sie in diesem Jahr besonders dankbar ist. Wem partout nichts einfällt, der denkt sich schnell etwas aus.

Im Inneren des Truthahns ist ein Knochen verborgen, der so aussieht wie eine verkleinerte Form der Astgabel, die kleine Jungen mithilfe eines Gummibandes in eine Steinschleuder verwandeln. Es ist üblich, dass zwei Leute, die einander an der Tafel gegenübersitzen, diesen »wishbone« mit einem heftigen Ruck auseinanderziehen – und wer hinterher das größere Stück in der Hand hält, darf sich etwas wünschen. Mancher wünscht sich dann nur, er hätte jetzt doppelt kohlensaures Natron zur Hand, um das rapide einsetzende Völlegefühl zu bekämpfen.

Fressgelage Dieses Jahr fällt der erste Tag von Chanukka mit Thanksgiving zusammen. Das heißt: Wenn man amerikanischer Jude ist, hat man sich also am ersten Abend nach dem Kerzenzünden den Bauch mit Latkes und Sufganiot vollgeschlagen und muss sich am zweiten Abend gleich zum nächsten Fressgelage niederlassen, was an sich schon eine Zumutung ist.

Zum Glück kommt dergleichen selten vor. Jonathan Mizrahi, ein Quantenphysiker aus New Mexico, hat eine Studie mit hochwissenschaftlichen Diagrammen vorgelegt, die zu dem Schluss kommt: Chanukka und Thanksgiving werden erst wieder in 79.811 Jahren auf dieselben Tage fallen – und das auch nur, wenn der jüdische Kalender in der Zwischenzeit nicht wieder auf die rechte Bahn gebracht worden ist. Er rückt nämlich gegenüber dem Sonnenkalender alle 1000 Jahre um vier Tage vor.

Die wichtigste Erfindung zum Zusammentreffen von Thanksgiving und Chanukka hat Asher Weintraub gemacht, ein Viertklässler aus New York. Er entwarf den »Menurkey«, einen achtarmigen Leuchter in Truthahnform, den man im Internet bestellen kann.

Es gibt auch künstlerische Versuche, mit dem Zusammentreffen der beiden Festlichkeiten fertig zu werden. Ganz hübsch, aber nicht witzig genug ist ein Horrorvideo, das eine christlich-amerikanische Familie zeigt, die am Abend von Thanksgiving von einer ultrafrommen jüdischen Familie überfallen und zur Geisel einer ihr wesensfremden Tradition gemacht wird.

Viel harmonischer fiel der Versuch einer Gruppe aus, zwei Lieder gleichzeitig zu singen: »Hawa Narima«, dessen Melodie von keinem Geringeren als Georg Friedrich Händel stammt, und »Simple Gifts« (Einfache Gaben), ein Lied der protestantischen Shaker-Bewegung. Und siehe da: Es geht! Die beiden Lieder, die beiden Traditionen kreuzen sich, als wären sie vom Anfang der Zeit an füreinander bestimmt gewesen.

Poster Und was hängt man sich zu Thanksgivukkah an die Wand? Wir empfehlen ein Poster von Kim DeMarco, die sich ihrerseits von dem amerikanischen Maler Grant Wood inspirieren ließ. Wood schuf ein Gemälde mit dem Titel »American Gothic«, das längst den Status einer Ikone besitzt: einen amerikanischen Farmer mit Mistforke und seine verhärmt dreinblickende Tochter vor einem Haus im gotischen Stil.

Kim DeMarco hat dem Farmer einen Strejmel aufgesetzt, und statt einer Mistgabel hält er eine Chanukkia in der Hand. Die verhärmt dreinblickende Frau trägt traditionelle protestantische Tracht: schwarze Schürze und ein weißes Spitzenhäubchen. Und beide schauen ziemlich verdutzt aus der Wäsche.

Als Speise dazu empfehlen wir Sufganiot mit Kürbisfüllung. Für ganz besonders Wagemutige bietet die Bäckerei »Zucker« in Manhattan einen Krapfen an, der mit Truthahn gefüllt ist. Es gibt sie in zwei Varianten: Truthahn mit Cranberry- oder mit Bratensauce. Gourmets sagen, das Gebäck sei köstlich. Gerade der Gegensatz zwischen dem puderbezuckerten gebackenen Schmalzteig und dem salzigen Inneren sei ein raffinierter Kick für die Geschmacksnerven.

Bleibt am Ende nur noch eine Frage: Bitte, wie sagt man »Thanksgivukkah« auf Jiddisch? Chanudank.

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Zur Wahl stellen sich Noëmi van Gelder sowie Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein für ein Co-Präsidium. Ein Gespräch über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream - und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025