Australien

Keinen Draht zum Schabbat

Unüberwindbar scheint der Widerstand der nichtjüdischen Bevölkerung gegen einen Eruv: Blick auf die Skyline von Sydney Foto: imago

Die meisten jüdischen Familien von Sydney wohnen im Osten der Stadt. Dort gibt es seit Jahrzehnten einen Eruv, der durch eine Reihe von Vororten verläuft. Vor fünf Jahren beschloss auch die 4.000 Mitglieder zählende Gemeinde im Norden der Stadt, eine Genehmigung für den Bau eines Eruv zu beantragen.

Masten Um den Draht anzubringen, der für einen halachisch gültigen Eruv erforderlich ist, beantragte sie beim Stadtrat von Ku-ring-gai die Erlaubnis, 27 Masten auf Privatgrundstücken und neun Masten auf öffentlichem Grund aufstellen zu dürfen. Verborgen zwischen den Bäumen im grünen Vorort St. Ives, würden die Masten praktisch niemandem auffallen – außer den Orthodoxen, die den Eruv nutzen wollen.

Nach zahlreichen Versuchen, die Pläne durch die Bürokratie zu schleusen, stand der Antrag Ende August beim Bezirksrat endlich zur Entscheidung an. Obwohl Stadtplaner eine Genehmigung für das Aufstellen zumindest auf Privatland befürworteten, lehnten die gewählten Ratsmitglieder den Antrag ab. Jetzt wartet Northern Eruv auf das Ergebnis einer Berufungsverhandlung vor dem Landgericht des australischen Bundesstaates New South Wales.

Viele befürchten, dass die Gründe für die ablehnende Entscheidung der Ratsmitglieder in Vorurteilen der Bevölkerung zu suchen sind. Das regionale Fernsehen strahlte eine Reihe von Beiträgen aus, in denen die Ängste nichtjüdischer Einwohner thematisiert wurden. Sie hätten das Gefühl, man wolle sie zwingen, in einer »jüdischen Enklave« zu wohnen, gaben Kritiker an. Der Versuch, einen so gut wie unsichtbaren Draht in fast sechs Meter Höhe anzubringen, sei »hinterlistig und heimtückisch und im Grunde unaustralisch«. Ein Mann, der in dem Viertel lebt, nannte seine jüdischen Nachbarn »religiöse Fanatiker«.

Das Jewish Board of Deputies von New South Wales behauptet, die Fernsehsendung übertrete das im Bundesstaat geltende Gesetz gegen rassische Diskriminierung und Volksverhetzung. Doch die Kommentare auf der Website des Senders waren weitaus schlimmer. Darin beklagen anonyme Schreiber, dass die Nazis »den Job nicht zu Ende gebracht haben«. Andere beziehen sich auf die berüchtigten Ritualmord-Vorwürfe. Nach einer weiteren Folge der Sendung, in der die Geschichte noch einmal aufgegriffen wurde, kommentierte ein Leser auf der Website: »Schickt sie zurück nach Israel, ehe es zu spät ist.«

Vic Alhadeff, Geschäftsführer des New South Wales Jewish Board of Deputies, beschwerte sich bei dem Sender. Danach wurden die Kommentare sofort entfernt. Doch viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind überzeugt, der Schaden sei bereits angerichtet.

Nach dem Ausstrahlen der Sendung unterzeichneten 1.200 Menschen eine Petition, in der die Bezirksvertreter von Ku-ring-gai aufgerufen wurden, gegen den Eruv zu stimmen. Die Ratsmitglieder folgten der Aufforderung und nicht der Empfehlung der Stadtplaner.

In einer Rede, die Alhadeff nach der Ablehnung des Antrags hielt, äußerte er sich überrascht und enttäuscht von der Entscheidung. »Anträge auf Bauvorhaben werden ständig abgelehnt, und die Betroffenen lassen sich etwas Neues einfallen. Was uns Sorge bereitet, ist die Intoleranz, die einige unserer Gegner im Verlauf der Debatte in den vergangenen Monaten an den Tag legten«, sagte Alhadeff.

Auch Northern-Eruv-Sprecher David Guth, der auf eine positive Entscheidung der Ratsversammlung gehofft hatte, ist niedergeschlagen. »Wir haben hart gearbeitet, um sicherzustellen, dass den Vorschriften und den von der Ratsversammlung vorgegebenen Bedingungen Genüge getan wird«, sagte er. »Wir haben pausenlos für ein positives Resultat gekämpft und sind enttäuscht, dass die Entscheidung so ausfiel, obwohl eine Empfehlung der Stadtplanungsbehörde vorlag.«

Ku-ring-gais Bürgermeister Ian Cross, der sich wegen eines eingestandenen Interessenkonflikts der Stimme enthalten hatte, behauptet, die Entscheidung sei nicht aufgrund der Religion getroffen worden. »Ich habe mit keiner Religion ein Problem, solange sie keinen anderen Glauben verletzt«, sagte er. »Wir sollten in Frieden zusammenleben, Unterschiede anerkennen, aber auch wahrhaben, dass wir vieles gemeinsam haben.«

Strassenbild Die stellvertretende Bürgermeisterin Jennifer Anderson sagte den Australian Jewish News, der Northern-Eruv-Antrag verteidige die Ablehnung: Die Mehrheit der Einwohner sei gegen den geplanten Eruv, »weil sie befürchtete, der sichtbare Wust aus zusätzlichen Masten und Drähten würde das Straßenbild negativ beeinflussen. Das war ihre Hauptsorge und nicht religiöse oder rassische Aspekte.«

Die Entscheidung hat der jüdischen Gemeinde von Nord-Sydney, zu der eine Schule, eine orthodoxe, eine Chabad- und eine Synagoge der Liberalen gehören, einen schweren Schlag versetzt. Zwar steht im Ostteil der Stadt allen, die den Schabbat halten, ein Eruv zur Verfügung, doch die Immobilienpreise dort sind sehr hoch und vor allem für Familien nicht erschwinglich. Der Bau eines Eruv im Norden der Stadt sollte orthodoxe Familien in den weniger überfüllten und preisgünstigeren Bezirk bringen.

Ukraine

Auf allen Kanälen

Anna Ukolova ist die russischsprachige Stimme der israelischen Armee. Ein Interview über Blogger, anti-israelische Propaganda und das Leben als Einwanderin

von Eugen El  18.06.2025

Imanuels Interpreten (10)

Kenny G: Das Enfant Terrible des Jazz

Er ist der erfolgreichste Instrumentalmusiker – und der meistgehasste. Warum eigentlich?

von Imanuel Marcus  17.06.2025

Krieg in Israel

Rabbiner: Unterstützung für gestrandete Israelis in Europa

Sie können momentan nicht nach Israel zurück. Jüdische Gemeinden in Europa sind gebeten, sie mit Unterkünften und anderem zu unterstützen. In Gemeinden herrscht unterdessen große Besorgnis, auch wegen der Sicherheit

von Leticia Witte  16.06.2025

Nachruf

Der Lippenstiftverkäufer

Leonard Lauder, der aus dem von seinen Eltern gegründeten Kosmetikunternehmen Estée Lauder einen Weltkonzern machte, ist im Alter von 92 Jahren gestorben

von Michael Thaidigsmann  16.06.2025

USA

Farlir nur nit dein Hofenung

Wie ein schwarzer Kantor in den 1920ern New Yorks Juden verzauberte und sogar durch Europa tourte. Die unglaubliche Geschichte des Thomas LaRue, dessen Stimme erstmals wieder zu hören ist

von Nicole Dreyfus  15.06.2025

Nationaler Sicherheitsrat

Offizielle Warnungen für Israelis und Juden im Ausland

Wachsamkeit, Kooperation und Zurückhaltung. Der israelische Nationale Sicherheitsrat hat Warnhinweise für Israelis und Juden im Ausland veröffentlicht

 13.06.2025

Zürich

Israelhasser wollten Zürich zum Stillstand bringen

Am Donnerstagabend wollten »propalästinensische« Demonstranten durch die Zürcher Innenstadt ziehen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025 Aktualisiert

Bosnien und Herzegowina

Goldschmidt: Boykott von Rabbinertreffen ist »eine Schande«

Die Europäische Rabbinerkonferenz kann nicht in Sarajevo tagen. Grund ist der Boykottaufruf eines Ministers. Der CER-Präsident fordert nun Konsequenzen

von Michael Thaidigsmann  12.06.2025

New York

Weinstein in neuem Prozess wieder verurteilt

Der Schuldspruch gegen den ehemaligen Filmmogul im Jahr 2020 galt als Meilenstein – bis er 2024 überraschend kassiert wurde. Nun hat erneut eine Jury geurteilt, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

 12.06.2025