Libyen

Jüdischer Rückkehrer vertrieben

David Gerbi vor der Dar-Bishi-Synagoge in Tripoli Foto: AP

David Gerbi gibt auf. Am vergangenen Dienstag hat der 56-jährige Psychoanalytiker Libyen verlassen und ist nach Italien zurückgeflogen. Nach 44 Jahren im Exil war er im Sommer in sein Geburtsland heimgekehrt. Den Rebellen galt er lange Zeit als der »revolutionäre Jude« – bis er Anfang Oktober in der Altstadt von Tripolis mit dem Schlaghammer eine Betonmauer niederschlug und die dahinterliegende Tür zur Dar-Bishi-Synagoge freilegte. Jahrzehntelang hatten sich keine Juden mehr in dem Bethaus versammelt. Ein Bild der Verwüstung tat sich auf: Graffiti an den Wänden, der Boden voller Müll, leere Wasserflaschen, Lumpen, Matratzen und tote Tauben.

Gemeinsam mit ein paar Helfern aus der Nachbarschaft machte Gerbi sich daran, aufzuräumen. Wochenlang hatte er auf die Erlaubnis der neuen Regierung gewartet, die Synagoge wiederherzustellen. »Es ist ein Toleranztest gewesen«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Er verstehe sich als »Botschafter des guten Willens« und wolle dem jüdischen Leben in Libyen eine neue Chance geben. Tausende von Juden, die in Italien und Israel lebten, warteten darauf, in das vom Bürgerkrieg schwer mitgenommene Mittelmeerland zurückzukehren.

Todesdrohungen An Rosch Haschana konnte Gerbi sogar in dem jüdischen Gotteshaus beten. Aber dann erhielt er Todesdrohungen. »In Facebook wurde zur Gewalt gegen mich aufgerufen«, sagte er kurz nach seiner Rückkehr aus Tripolis. Und am Freitagabend, wenige Stunden vor Jom Kippur, versammelten sich mehrere Hundert Demonstranten im Stadtzentrum der libyschen Hauptstadt und forderten Gerbis Ausweisung. »Es gibt keinen Platz für Juden in Libyen«, stand auf ihren Plakaten. Die Menge versuchte sogar, das Hotel des Rückkehrers zu stürmen. »Aber Sicherheitskräfte, Regierungsbeamte und Hotelmitarbeiter haben mir geholfen und sie zurückgehalten.«

Am Sonntag vor einer Woche habe er sich dann nach Gesprächen mit Mitgliedern der provisorischen Regierung und der italienischen Botschaft entschieden, Libyen vorerst wieder zu verlassen. »Der Nationale Übergangsrat hat zwar zu mir gesagt, ich solle warten, aber ich wollte nicht.« Jalal el-Gallal, ein Sprecher des Rates, sagte der Nachrichtenagentur AP, Gerbis Bemühungen, die Synagoge wiederherzustellen, seien voreilig gewesen, denn die Streitkräfte kämpften noch an zwei Fronten. »Ich denke, das schafft derzeit nur noch mehr Probleme.«

David Gerbi will jedoch nicht aufgeben. Die Türen der Dar-Bishi-Synagoge hat er zwar wieder geschlossen und das Gebäude abgesichert. Aber sobald sich die Lage in Libyen wieder beruhigt hat, werde er zurückkehren, kündigte er in einem Telefonat aus Rom an. So wie er selbst, wolle eine große Zahl der rund 38.000 aus Libyen vertriebenen Juden zurück in das Land. »Aber viele haben Angst. Und trotzdem besteht der starke Wunsch, zu den Wurzeln heimzukehren.«

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025