Streit um FPÖ-Immunität

Jüdische Studenten zeigen Parlamentspräsidenten an

Österreichs Parlamentspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) Foto: picture alliance / ALEX HALADA / picturedesk.com

Zwei Monate ist Walter Rosenkranz gerade einmal im Amt – aber die politische Handschrift der neuen Nummer Zwei im österreichischen Staat, die wird bereits sehr deutlich sichtbar: Da empfing Rosenkranz gleich einmal Viktor Orban im Parlament; da versuchte er sich am Jahrestag der Novemberpogrome Zugang zu einer Gedenkveranstaltung in Wien zu verschaffen und sprach von »Gewalt« als er friedlich daran gehindert wurde; und da ließ er anscheinend Anträge der Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Immunität von drei FPÖ-Parteifreunden unerledigt liegen.

Nach nicht einmal zwei Monaten im Amt hat es Rosenkranz jetzt jedenfalls auch mit einer Anzeige zu tun. Verdacht: Amtsmissbrauch.
Es sei ihm daran gelegen, in einen Dialog mit jüdischen Institutionen zu treten, hatte Rosenkranz gleich nach Amtsantritt als Parlamentspräsident gesagt. Dieser Austausch findet jetzt über Anwälte statt. Denn eingebracht haben die Anzeige die Jüdische Hochschülerschaft (JöH) sowie der Jurist Bini Guttmann.

Der Fall hat eine Vorgeschichte. Ende September hatten JöH und Guttmann Anzeige wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gegen die FPÖ-Mandatare Martin Graf, Harald Stefan, Parlamentsklub-Direktor Norbert Nemeth und den Ex-FPÖ Nationalrat Johann Gudenus sowie den Rechtsextremen Gernot Schmidt eingebracht.

Der Anlass: Sie alle waren beim Begräbnis eines ehemaligen SS-Mannes in Wien gesehen worden. Auf einem Video davon ist zu hören, wie das SS-Treuelied »Wenn alle untreu werden« gesungen wird. Von dem Lied gibt es mehrere Varianten. Gesungen wurde bei der Beerdigung explizit die SS-Version in der »vom heil’gen deutschen Reich« fantasiert wird. Laut JöH: ein »juristischer Lehrbuchfall der Wiederbetätigung«.

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Der Vorwurf gegen Rosenkranz lautet nun: Dieser habe die Auslieferungsanträge der Staatsanwaltschaft für Martin Graf, Harald Stefan und Norbert Nemeth in der Sache für zumindest zehn Tage unerledigt liegen lassen. Laut Paragraf 80 der Geschäftsordnung des Nationalrates muss der Nationalratspräsident ein Auslieferungsersuchen der Staatsanwaltschaft aber »sofort nach dem Einlagen« an den zuständigen Ausschuss weiterleiten.

Ein pikantes Detail dazu: In der Parlamentsdirektion eingelangt ist das Ansuchen der Staatsanwaltschaft am 20. November. Am 24. November fanden in der Steiermark aber Landtagswahlen statt, die die FPÖ de facto zum Tag der Abrechnung erklärt hatte, nachdem sie vom Bundespräsidenten nicht mit der Regierungsbildung beauftragt worden war. Die FPÖ verdoppelte sich bei dieser Wahl letztlich auf 34 Prozent.

Es »liegt nahe, dass das Auslieferungsbegehren für den Wahlkampf der FPÖ-Steiermark von Rosenkranz bis nach der Landtagswahl vom 24. November 2024 zurückgehalten wurde«, so die JöH in einer Aussendung.

Rosenkranz wird dem deutschnationalen Flügel der FPÖ zugerechnet. Er ist »Alter Herr« der schlagenden Studentenverbindung »Libertas«. Rosenkranz selbst lobte führende Nationalsozialisten in Publikationen als »Leistungsträger«, sprach sich für eine konservative Politisierung der Lehrerschaft aus oder verteidigte den Arierparagrafen seiner Burschenschaft, um zugleich zu betonen, dass drei Gründungsmitglieder seiner Verbindung Juden gewesen seien. Mitglied der »Libertas« war aber etwa auch Georg von Schönerer, einer der Wegbereiter deutscher Herrenrassen-Ideologie und des Nationalsozialsozialismus, nach Hitlers Zuschnitt.

Berührungspunkte mit Rechtsextremen will sich Rosenkranz aber nicht nachsagen lassen. Und in eben diesem Ton hatte er bei Amtsantritt auch faire Amtsführung gelobt. In Richtung der jüdischen Gemeinde sagte er damals: Jüdisches Leben in Österreich brauche sich vor ihm absolut nicht zu fürchten. Bei Gedenkveranstaltungen könne er sich vorstellen, zur Seite zu treten.

JöH-Präsident Alon Ishay sagt jetzt: Walter Rosenkranz habe »in seinem ersten Monat alle Befürchtungen bestätigt, die es vorab hinsichtlich seiner Nominierung gab.« Die demokratischen Kräfte im Nationalrat sollten sich »spätestens jetzt die Frage stellen, ob der rechtsextreme Burschenschafter Rosenkranz als zweithöchster Beamter der Republik tragbar ist.«

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