Ukraine

Jüdische Gemeinde weiterhin in Sorge

Passagiere am Montag auf dem internationalen Flughafen Boryspil außerhalb von Kiew Foto: imago images/SNA

Die Ukraine durchlebt unruhige Zeiten, jeden Tag ändert sich die Lage. Auch wenn am Dienstagmorgen mit dem Abzug russischer Truppen an der Grenze im Süden und Westen des Landes begonnen wurde, bleiben die Menschen in der Ukraine höchst angespannt.

Westliche Politiker und Medien hatten unter Berufung auf Geheimdienstinformationen argumentiert, Russland könne diese Woche eine groß angelegte Invasion der Ukraine beginnen. Botschaften wurden verlegt oder froren ihre Arbeit ein, mehrere Länder riefen ihre Bürger zur Rückkehr auf, darunter Israel.

RÜCKKEHRRECHT Die Regierung in Jerusalem ist besorgt um die jüdische Gemeinde der Ukraine und bereitet deren Rettung vor. Laut Schätzungen leben zwischen 56.000 und 140.000 Juden im Land, rund 200.000 ukrainische Staatsbürger könnten von dem israelischen Recht auf Rückkehr Gebrauch machen und nach Israel einwandern.

»Vielleicht will Israel als Ersten gleich Selenskyj aufnehmen?«, scherzt ein älterer Mann in einer Kiewer Synagoge. Da Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj jüdisch ist, fiele auch er unter das israelische Rückkehrgesetz. Der ältere Mann ist skeptisch gegenüber Selenskyj. Er vermutet, dass der ukrainische Präsident Angst vor Wladimir Putin hat und sich dem Druck des Kremls beugen könnte.

IRONIE Auch Josef Zissels (75), Präsident des Verbandes der jüdischen Gemeinden und Organisationen der Ukraine, neigt zu Ironie über die Evakuierungsinitiative: »Die israelische Regierung hat sich nicht mit uns, der örtlichen Gemeinde, beraten«, sagt er.

Die Diskussion über die Rettung der ukrainischen Juden, ohne die Meinung der Betroffenen zu berücksichtigen, bringt Zissels zum Schmunzeln. »Stellen Sie sich vor, die amerikanische Regierung würde über die Evakuierung Israels diskutieren und US-Bürger auffordern, Israel zu verlassen, etwa wegen Fortschritten im iranischen Atomprogramm. Wie würden sich da die Israelis fühlen?«

Wenn ihn Israel um Rat fragen würde, was die Ukraine heute wirklich brauche, würde er antworten: Waffen, Medikamente, militärische und medizinische Technologie, Ausbilder. »Israel hat enorme Erfahrung und Ressourcen in genau den Bereichen, in denen die Ukraine Hilfe braucht.« Doch Israel verweigere nicht nur Gespräche über eine militärisch-technische Zusammenarbeit, sondern blockiere auch die Lieferung von Waffen, die zuvor an Drittländer verkauft wurden.

Erste-Hilfe-Kurse Anna (41), Jugendpsychologin und Gemeindemitglied in Kiew, sagt, dass die Anfragen nach Hilfe bei Angstzuständen erheblich zugenommen haben. »Ich versuche, so weiterzuleben und zu arbeiten wie bisher, Teenagern und Familien zu helfen«, sagt sie.

Sie habe sich für einen Erste-Hilfe-Kurs angemeldet, fügt sie hinzu. Solche Kurse und Trainingsstunden sind seit einigen Wochen in der Ukraine sehr gefragt, ebenso wie Kurse an Schießständen.

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