Diskriminierung

Juden unerwünscht

Zweimal in diesem Jahr wurden Buchungsanfragen im Kanton Graubünden abgewiesen. Foto: Getty Images/iStockphoto

Ein Reiseveranstalter in Köln steht wegen seiner Weigerung, Ferienwohnungen in der Schweiz an jüdische Familien zu vermieten, massiv in der Kritik. Wie die Schweizer Boulevardzeitung »Blick« berichtet, habe das Unternehmen gleich zweimal in diesem Jahr Buchungsanfragen jüdischer Familien für Gruppenunterkünfte im Kanton Graubünden abgewiesen. Im Juni wollte eine jüdische Familie im August ein Selbstversorgerhaus in dem kleinen Ort Parpan buchen.

Anstelle einer Bestätigung erhielt sie jedoch die ungewöhnlich formulierte Absage: »Leider erfüllen unsere Häuser nicht die Anforderungen von streng jüdisch-orthodoxen Gruppen und ›Abigruppen‹. Da wir niemanden in der Ausübung seines/ihres Glaubens hindern möchten sowie aufgrund unserer Erfahrungen im Umgang mit unseren Häusern (Schäden und Beschwerden), können wir euch leider kein Mietangebot machen.« Zudem wurden die Interessenten in der Mitteilung darauf hingewiesen, dass das Haus erst ab 25 Personen verfügbar sei.

ZURÜCKWEISUNG Bereits im März war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Es ging um eine Unterkunft in Davos, die eine jüdische Familie über die Plattform des deutschen Unternehmens buchen wollte. Nach der Zurückweisung in einer fast wortgleich formulierten Mail brachten die Betroffenen den Fall dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) zur Kenntnis. Der wiederum übermittelte die Angelegenheit an RIAS, die Beobachtungsstelle für Antisemitismus, in Nordrhein-Westfalen.

Einer der betroffenen Familienangehörigen sagte, die Motivation der Absage sei »klar rassistisch und diskriminierend«. So sehen es offenbar auch die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus und RIAS. Eigenen Angaben zufolge beschäftigt das Kölner Reiseunternehmen zwischen 25 und 30 Mitarbeiter in Deutschland sowie rund 50 Saisonkräfte, mehr als 100 Reiseleiter und einige Ski- und Snowboardlehrer in den Wintersportgebieten.

Auf der Website wird betont, man verstehe sich als »professionellen und spezialisierten Reiseveranstalter insbesondere für Wintersport- und Event­reisen«.

Auf der Website wird betont, man verstehe sich als »professionellen und spezialisierten Reiseveranstalter insbesondere für Wintersport- und Event­reisen«. Weiter heißt es dort: »Uns ist bei unseren Reisen Lockerheit, Sportlichkeit und Gemeinsamkeit wesentlich wichtiger als Sterne & Komfort.«

Beschädigungen Eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen an die Geschäftsführung blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Einer der beiden Geschäftsführer hatte allerdings zuvor gegenüber dem »Blick« erklärt, dass man zwar lange Zeit Ferienhäuser in der Schweiz auch an jüdische Gruppen vermietet habe, mittlerweile aber davon absehe.

Zur Begründung gab er an, es sei zu Beschädigungen in den Wohnungen gekommen. »Die Schäden sind oftmals dermaßen, dass wir diese nicht für die Folgegruppe beheben können und somit der Folgegruppe nicht die gebuchte Qualität gewährleisten können.« Man sei nur Pächter der Häuser und den Inhabern »einen schonenden Umgang mit dem Mobiliar vertraglich schuldig«.

SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner überzeugt diese Argumentation nicht. »Eine deutsche Firma gibt offen zu, Schweizer Ferienwohnungen prinzipiell nicht an Juden zu vermieten. Das ist irritierend und anstößig. Diese Firma geht systematisch vor, die Diskriminierung ist offenbar Geschäftsdoktrin.« Kreutner hofft nun auf konkrete Schritte gegen das deutsche Reiseunternehmen. »Wir gehen davon aus, dass diese Firma zur Rede gestellt wird.«

Anstelle einer Bestätigung erhielt eine Familie die ungewöhnlich formulierte Absage.

Die Antisemitismusbeauftragte des Lan­des Nordrhein-Westfalen, Sabine Leut­heus­ser-Schnarrenberger, erklärte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Aus den geschilderten Vorfällen und Stellungnahmen des Reiseveranstalters ist eine Verallgemeinerung beziehungsweise Pau­schalisierung erkennbar, welche ich grundsätzlich ablehne.«

Zwar seien womöglich entstandene Schäden in einem konkreten Fall für den Eigentümer ärgerlich. Dies rechtfertige aber nicht, so Leutheusser-Schnarrenberger, »bestimmte Religionsgruppen in Gänze zu stigmatisieren und von bestimmten Leistungen auszuschließen«. Für sie stelle sich auch die Frage: »Wie erfährt der Veranstalter von der Religionszugehörigkeit der Reisenden? Werden Angaben hierzu im Vorfeld erbeten oder nach welchen Merkmalen macht der Veranstalter die Zugehörigkeit aus?«

Gericht Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht den Fall ebenfalls als problematisch an und forderte die Betroffenen auf, ihn juristisch prüfen zu lassen. »Nach deutschem Recht würde eine vergleichbare Absage gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen. Betroffene könnten vor Gericht auf Schadenersatz und/oder eine Entschädigung klagen. Denn eine pauschale Zuschreibung, dass Menschen angeblich Schäden anrichten, nur weil sie jüdisch sind, ist eine verbotene Benachteiligung wegen der Religion und aus rassistischen Gründen«, erklärte Sebastian Bickerich, Sprecher der Bundesbeauftragten Ferda Ataman, dieser Zeitung.

Ob jedoch deutsches Recht in diesem konkreten Fall überhaupt Anwendung findet, sei jedoch nicht klar, so Bickerich weiter. »Das kommt auf die genauen Umstände des Einzelfalls an, da die Betroffenen offenbar von England aus gebucht haben, die Vermittlungsfirma in Deutschland sitzt und der Standort der Beherbergung in der Schweiz ist.«

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