Umfrage

Jeder vierte Europäer hat antisemitische Ansichten

»Israelkritische« Kundgebung in Paris nach dem Angriff auf den französischen Philosophen Alain Finkielkraut (Februar 2019) Foto: imago

Etwa jeder vierte Europäer hat antisemitische Ansichten. Das hat eine Umfrage im Auftrag der New Yorker Anti-Defamation League ergeben, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden. Antisemitismus nimmt demnach im Osten des Kontinents zu, für den Westen wurden überwiegend leichte Rückgänge vermeldet.

In Polen waren antisemitische Ansichten verbreiteter als in jedem anderen der 14 untersuchten europäischen Länder. 48 Prozent der Polen haben laut der Untersuchung eine solche Haltung, während es 2015 37 Prozent gewesen seien. In der Ukraine stieg die Zahl seit 2016 von 32 auf 46 Prozent, in Ungarn von 40 auf 42 Prozent.

UNGARN Alle drei Staaten waren in jüngerer Zeit wegen antisemitischer Tendenzen von jüdischen Gruppen kritisiert worden: Die Ukraine, weil sie im vergangenen Jahr einen Kollaborateur der Nazis aus dem Zweiten Weltkrieg gewürdigt hatte, Ungarn wegen scharfer Attacken der Regierung von Viktor Orban gegen den jüdischen Finanzier George Soros, Polen wegen eines Holocaust-Gesetzes, das Israel als Versuch sieht, die Beteiligung von Polen an der Ermordung der Juden kleinzureden.

Abgefragt wurde unter anderem, ob man der Meinung sei, Juden hätten zu viel Einfluss auf die Geschäftswelt.

In Deutschland, Österreich, Großbritannien, Italien, Spanien, und den Niederlanden verzeichnete die Umfrage rückläufigen Antisemitismus. Besonders stark ging der Wert in Italien und Österreich zurück, von 29 auf 18 Prozent beziehungsweise von 28 auf 20 Prozent.

In Frankreich blieb die Verbreitung unverändert bei 17 Prozent, wohingegen sie in Dänemark und Belgien etwas zunahm. Für vier Prozent der Schweden wurden antisemitische Überzeugungen ermittelt, weniger als in jedem anderen untersuchten europäischen Land.

METHODIK Bei der Befragung wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie bestimmte negative Stereotypen über Juden für »wahrscheinlich wahr« oder »wahrscheinlich falsch« hielten. Wer mindestens sechs von elf Vorurteilen für »wahrscheinlich wahr« hielt, wurde als Person mit antisemitischer Haltung eingestuft. Unter anderem fanden 42 Prozent der befragten Deutschen und 44 Prozent der Österreicher, dass Juden zu viel über den Holocaust sprächen.

Abgefragt wurde unter anderem auch, ob man der Meinung sei, Juden hätten zu viel Einfluss auf die Geschäftswelt oder seien Israel gegenüber loyaler als ihrem Heimatland.

Die Umfrage war Teil einer größer angelegten Studie, für die auch Menschen in Kanada, Südafrika, Argentinien und Brasilien befragt wurden.

Die Ergebnisse spiegeln nicht wider, wie oft es dann zu antisemitischen Übergriffen in den jeweiligen Ländern kommt. In Ungarn und Polen sind solche Angriffe relativ selten, in Deutschland stiegen sie Studien zufolge im vergangenen Jahr um zehn Prozent, in Großbritannien waren es in der ersten Jahreshälfte 2019 ebenfalls zehn Prozent mehr.

Die Umfrage war Teil einer größer angelegten Studie, für die auch Menschen in Kanada, Südafrika, Argentinien und Brasilien befragt wurden. Insgesamt wurden 9056 Interviews geführt, in den einzelnen Staaten lag die Zahl der Befragten bei mindestens 500. Die Fehlerspanne wurde mit 4,4 Prozent nach oben und unten angegeben.  dpa

Großbritannien

Der grüne Populist

Zack Polanski ist der neue Chef der Grünen. Möglicher Partner: ausgerechnet Jeremy Corbyn

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  18.09.2025

Belgien

Grabschändung am Todestag

Das Grab des jüdischen Politikers Jean Gol in Lüttich wurde genau 30 Jahre nach seinem Tod geschändet. Gols Tochter sieht einen eindeutigen Zusammenhang zum Nahostkonflikt

 18.09.2025

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025