Diplomatie

Israel und Irland: Das Tischtuch ist zerschnitten

Die Ha’penny-Brücke in Dublin im August Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Zwischen Dublin und Jerusalem fliegen die Fetzen – und das nicht erst seit Beginn der Woche. Am Dienstag postete Israels Außenminister Gideon Sa’ar einen Beitrag auf X, der mit den Worten begann: »Einmal ein antisemitischer Lügner, immer ein antisemitischer Lügner.«

Adressat dieser Tirade war kein Geringerer als Irlands Präsident Michael D. Higgins. Der 83-Jährige hatte zuvor bei einer Zeremonie zur Begrüßung der neuen Botschafterin der Palästinenser in Irland, Dschilan Abdalmadschid, ein Wutrede gehalten und sich und sein Land gegen den Vorwurf Israels verwahrt, Irlands Haltung zum Nahostkonflikt basiere in Wahrheit auf Antisemitismus.

Es sei eine »grobe Verleumdung«, wenn die israelische Seite behaupte, das irische Volk sei antisemitisch, wetterte Higgins. »Es ist eine sehr ernste Angelegenheit, ein ganzes Volk so zu brandmarken, nur weil es mit Ministerpräsident Netanjahu nicht einverstanden ist, der gegen so viele Aspekte des Völkerrechts verstoßen, die Souveränität des Libanon und Syriens verletzt hat und der in jedem dieser Länder Siedlungen errichten möchte.«

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Zuvor hatte Israels Regierung die Schließung seiner Botschaft in Dublin angeordnet. Sa’ar hatte die irische Regierung beschuldigt, den jüdischen Staat zu »delegitimieren« und zu »entmenschlichen« und bei seiner Haltung zu Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza mit zweierlei Maß zu messen. Israels Botschafterin in Dublin, Dana Ehrlich, erklärte, die Entscheidung habe man nicht leichtfertig getroffen. Sie sei vielmehr Folge einer »Häufung antiisraelischer Initiativen und Rhetorik durch Irland«.

Higgins, der wie der Bundespräsident in Deutschland als Staatsoberhaupt keine besondere Rolle in der Außenpolitik hat, keilte zurück und sagte, er habe Sa’ars Aussagen zunächst auf mangelnde Erfahrung zurückgeführt, dann aber festgestellt, dass sie Teil eines Musters seien, um Irland in den Augen der Welt zu brandmarken.

Ausdrücklich solidarisierte sich Higgins mit dem irischen Regierungschef Simon Harris und dessen Außenminister Micheál Martin. Die beiden Politiker hatten am Montag die Haltung der Regierung in Bezug auf Israel bekräftigt. Harris hatte gesagt, Irland lasse sich »nicht zum Schweigen bringen«.

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Im Mai bereits hatte die Harris-Regierung zusammen mit Spanien und Norwegen einen »Staat Palästina« diplomatisch anerkannt, was von Jerusalem als Affront gewertet wurde und zu einer dramatischen Verschlechterung der ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen führte. Dana Ehrlich, die seit 2023 als Botschafterin in Dublin akkreditiert ist, wurde abberufen. Jetzt folgte die Schließung der diplomatischen Vertretung.

Ehrlichs Worten zufolge spielte dabei auch die jüngste Erklärung der irischen Regierung, man wolle der Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag gegen Israel beitreten, eine Rolle. Die Harris-Regierung hatte vergangene Woche erklärt, man strebe eine Ausweitung des Begriffs »Genozid« durch den IGH an, damit auch Israels Taten in Gaza erfasst werden könnten.

Weiter sagte Ehrlich: »Darüber hinaus haben wir Bedenken hinsichtlich der zunehmenden feindseligen Stimmung gegenüber Israelis, dem Zionismus und in einigen Fällen der jüdischen Gemeinschaft geäußert, die eher abgetan als angesprochen wurden.« Die Botschafterin fügte hinzu: »Wir glauben zwar nicht, dass die Mehrheit der Iren mit dieser antiisraelischen Stimmung zufrieden ist. Der aktuelle Diskurs in Irland lässt leider keinen Raum für eine größere Vielfalt an Ansichten und Stimmen.«

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Im September hatte Higgins, der bereits in der Vergangenheit mit Kritik an Israel nicht gespart hatte, bei einer Pressekonferenz in New York die israelische Vertretung in Dublin bezichtigt, sein Glückwunschschreiben an den neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian abgefangen und veröffentlicht zu haben. In Wahrheit war es Irans Botschaft in der irischen Hauptstadt, die den Brief auf ihrer Webseite veröffentlicht hatte.

»Historische Wahrheiten«

In seinem X-Post am Dienstagabend erklärte Außenminister Gideon Sa’ar, sein Land werde nicht untätig an seinen Grenzen auf einen zweiten 7. Oktober warten. Scharf wies er die Behauptungen des irischen Präsidenten zurück. »In Bezug auf Ägypten hat Higgins die Behauptung aufgestellt, dass Israel dort Siedlungen errichten wolle. Die Fakten: Im Rahmen unseres Friedensabkommens mit Ägypten hat sich Israel aus einem riesigen Gebiet – der gesamten Sinai-Wüste – zurückgezogen und alle dortigen Gemeinden entwurzelt. Dieses Friedensabkommen wird seit 1979 aufrechterhalten.«

Und endete mit einem Seitenhieb auf Irlands Haltung gegenüber Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg: »Und wenn wir schon über historische Wahrheiten sprechen, sollten wir nicht vergessen, dass Irland im Zweiten Weltkrieg bestenfalls neutral war. Zu dieser Zeit kämpfte die freie Welt gegen Hitlers Achsenmächte, während Irland tatenlos zusah.«

»Dialog durch Rückzug ersetzt«

Michael D. Higgins klang in der Vergangenheit schon einmal versöhnlicher. Bei einem Empfang für eine Delegation des Jüdischen Weltkongresses (WJC) in seinem Amtssitz im November 2016 erklärte er: »Die jüdische Gemeinde in Irland wird immer kleiner. Viele jüngere irische Juden haben ihr Leben im Ausland verbracht. Die Gründe dafür zu suchen, warum so viele von ihnen diese Insel verlassen haben, würde uns wahrscheinlich viel über uns selbst als Gesellschaft sagen«, so der Präsident damals.

Der Vorsitzende des Zentralrats der jüdischen Gemeinschaft Irlands, Maurice Cohen, ist über die Spannungen zwischen seiner Regierung und der israelischen besorgt. Die Schließung der Botschaft Israels in Dublin nannte Cohen »einen Grund zur Sorge« für die jüdische Gemeinschaft in Irland. Sie sei nicht nur symbolisch zu werten, sondern stelle auch einen praktischen Nachteil dar. So werde »Dialog durch Rückzug ersetzt«, was nicht im Interesse der Menschen sei.

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