Großbritannien

Inspiriert von den Kindertransporten

Rabbiner Jonathan Romain Foto: privat

Großbritannien

Inspiriert von den Kindertransporten

Ein englischer Rabbiner möchte Flüchtlinge ins Land holen und sucht private Gastgeber

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  13.03.2022 08:50 Uhr

Vor einigen Tagen hat Jonathan Romain, der Rabbiner der Reformsynagoge in Maidenhead bei London, bekannt gegeben, dass er einen Ukraine-Transport organisieren will. Seitdem erhält er jeden Tag fast 20 E-Mails. Der 67-Jährige möchte etwas auf die Beine stellen, was den sogenannten Kindertransporten gleicht.

Bei der Rettungsaktion reisten 1938/39 rund 10.000 jüdische Kinder und Jugendliche aus Nazideutschland, Österreich und der Tschechoslowakei nach Großbritannien aus, wo sie meist von Gastfamilien aufgenommen wurden. Anders als die Kinder überlebten viele der Eltern die Schoa nicht.

quäkerfamilie Eines der jungen Mädchen, die damals gerettet wurden, war Romains Mutter Gabriele Hertzberg aus Leipzig. »Sie hatte Glück. Sie kam bei einer Quäkerfamilie unter, mit der sie auch später weiter in Kontakt blieb«, erzählt Romain. Als der Krieg gegen die Ukraine begann und plötzlich Tausende aus der Region flüchteten, habe er gefühlt, sagt Romain, »dass jetzt die Zeit ist, etwas zu tun, was der Hilfe entspricht, die meiner Mutter entgegengebracht wurde«.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Romain für Flüchtlinge einsetzt. Mit Alf Baron Dubs, der als Kind selbst mit einem Kindertransport aus Prag gerettet wurde, besuchte Romain vor einigen Jahren Calais, um Flüchtlingen beizustehen. Dubs kämpft seit Jahren im Vereinigten Königreich darum, dass die Regierung mehr Flüchtlingskinder aufnimmt.

Romain sucht Menschen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen.

Die Aktion, die Romain begonnen hat, ist jedoch anders als Dubs’ Anliegen. Romain sucht Menschen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Diese Familien bräuchten genauso wenig jüdisch zu sein, wie die Flüchtlinge jüdisch sein oder aus der Ukraine kommen müssten – Romain will, dass Flüchtlinge aus jeglichen Krisenregionen aufgenommen werden, und auch nicht nur Kinder, »denn im Leid gibt es keine Hierarchien«, sagt er.

gemeinschaften Es gehe um das Persönliche, statt um eine Unterbringung in Aufnahmezentren, Hotels oder Herbergen. »Es ist besser, wenn jemand auf der Flucht Menschen um sich hat, die ein freundliches Gesicht haben, Wärme ausstrahlen und die oftmals traumatisierten Flüchtlinge in ihre Gemeinschaften vor Ort integrieren, vor allem, wenn sie die Landessprache erst noch lernen müssen.«

Nun füllt sich Rabbi Romains Mailpostfach mit Angeboten, und sein Telefon steht nicht mehr still. »Ich bin überwältigt«, sagt er gerührt. Das zeige, dass der Krieg und das Schicksal der Menschen in der Ukraine viele bewege. Manche hätten persönliche Lebensgeschichten, etwa weil sie – wie er selbst – einen jüdischen Flüchtlingshintergrund hätten, andere seien während der kommunistischen Zeit aus Polen oder Ungarn geflüchtet, und andere täten es aus einem religiösen oder generellen mitmenschlichen Verantwortungsbewusstsein.

Die Anrufe und Mails kämen inzwischen aus allen Teilen Großbritanniens. Um den vielen Angeboten gerecht zu werden, arbeitet Romain nun mit einer Hilfsorganisation zusammen, die die Angebote und Anbieter prüft, bevor Menschen dort aufgenommen werden.

EINREISEVISA Nun müssen nur noch mehr Ukrainer ins Land gelassen werden. Die britische Innenministerin Priti Patel musste sich Anfang der Woche Kritik gefallen lassen, weil von den fast 9000 Anträgen erst 640 Einreisevisa ausgehändigt worden waren, da die britischen Behörden alle Anträge genauestens prüfen, damit ja keine unerwünschten Personen ins Land kommen.

Inzwischen hat man beschlossen, ein vorläufiges Bearbeitungszentrum in Lille einzurichten. Einreisen dürfen Familienangehörige von Menschen aus der Ukraine, die in Großbritannien leben: Onkel, Tanten, Schwiegereltern, Neffen, Cousinen, Nichten, Großeltern. Insgesamt hat die britische Regierung der Aufnahme von bis zu 200.000 Flüchtlingen aus der Ukraine zugestimmt.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025