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»Ich kandidiere«

Will Trump schlagen: New Yorks früherer Bürgermeister Michael Bloomberg Foto: imago images/ZUMA Press

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»Ich kandidiere«

Milliardär Bloomberg ist möglicherweise zu spät auf den Zug aufgesprungen, und es haften ihm politische Makel an

von Daniel Killy  28.11.2019 14:21 Uhr

Michael Bloombergs Last-minute-Entscheidung, ins Rennen um den demokratischen Präsidentschaftskandidaten einzusteigen, gilt vielen auf den ersten Blick als bisher stärkste Bedrohung einer zweiten Trump-Legislatur. Doch so einfach ist es mit dem 77-jährigen jüdischen Multimilliardär und Philanthropen nicht. Was ihm an potenzieller Zustimmung aus dem Lager der Republikaner zuwachsen könnte, das könnte New Yorks Ex-Bürgermeister womöglich an demokratischen Stimmen einbüßen.

Denn die neue Hoffnung der Trump-Kritiker schleppt mehrere politische Makel mit sich herum. Mit der zusehends schlichter gewordenen Politik-Arithmetik der Demokraten verträgt es sich nicht, Milliardär zu sein. Nach den traumatischen Erfahrungen mit dem »Ich kauf mir die Welt«-Präsidenten Trump ist Bloombergs Reichtum eher ein Manko.

Entschuldigung Was ihm allerdings noch mehr die Chancen verhageln könnte, ist die umstrittene »Stop and Frisk«-Politik seiner New Yorker Jahre. Damit wurde eine von Bloomberg verabschiedete Polizeimaßnahme bezeichnet, die es Beamten erlaubte, schon bei vagem Verdacht Menschen auf der Straße anzuhalten und zu durchsuchen. Diese Taktik, die in ihrer Mehrheit nur allzu häufig Unschuldige traf – vor allem Afroamerikaner und Latinos –, war höchst umstritten. Erst kurz vor seiner Kandidatur bat Bloomberg um Entschuldigung dafür.

Mit der zusehends schlichter gewordenen Politik-Arithmetik der Demokraten verträgt es sich nicht, Milliardär zu sein.

Das Eingeständnis könnte zu spät gekommen sein. Denn die von der harschen Law-and-Order-Strategie am meisten Betroffenen sind ein entscheidender Wählerfaktor bei den Demokraten. Doch genau diese Stammwähler, ohne die Trump nicht zu besiegen ist, könnte Bloomberg nachhaltig verprellt haben. Kaum ein demokratischer Kandidat trägt einen so unauslöschlichen Makel in Sachen Rassismus wie Bloomberg.

Auch eine andere wichtige und bisher treue Wählergruppe droht Bloomberg und den Demokraten abhandenzukommen – die der Juden. Sie galten bisher als absolut loyale Wähler der Demokraten. Doch erstens ist die Millionenschar jüdischer Wahlberechtigter nicht mehr so homogen, und zweitens wurden viele von ihnen durch offen antisemitische Kandidaten wie die Kongressabgeordnete Ilhan Omar abgeschreckt. Auch der Wandel innerhalb der Demokraten, denen »Israelkritik« jetzt als salonfähig gilt, ist für viele Juden keine Einladung, demokratisch zu wählen. Zumal Donald Trump ja auch mit lautstarker Symbolpolitik vorgibt, ein Freund Israels und der Juden zu sein.

Israel Was wiederum für Bloomberg sprechen könnte, ist seine unbeirrbare Loyalität zu Israel. Als 2014 die Raketen der Hamas Israels Nachthimmel erleuchteten, verhängte Obamas Regierung ein Flugverbot nach Israel. Bloomberg hingegen setzte sich ins Flugzeug und reiste nach Tel Aviv, um seine Solidarität zu bekunden. Vielleicht hilft ihm auch die Tatsache, dass Trump im Amtsenthebungssumpf zunehmend antisemitische Reflexe zulässt.

Was Trump allerdings dringend vermeiden sollte, ist, Bloomberg zu unterschätzen. Denn, so formuliert es Professor Thane Rosenbaum vom Touro College im »Algemeiner«: »Bloomberg hat alles selbst erwirtschaftet, er ist erwiesenermaßen eine erfahrene Führungspersönlichkeit – privatwirtschaftlich wie politisch. In seiner Vita gibt es keine zwielichtigen Deals, Schweigegeldzahlungen an Porno­sternchen oder Ausfälle gegen Kriegshelden, Frauen und Behinderte. Seine Steuer­erklärungen sind kein Staatsgeheimnis. Und da seine Kampagne ausschließlich aus Eigenmitteln finanziert wird, ist er niemandem verpflichtet – auch keinen ausländischen Diktatoren.«

Eines jedenfalls ist klar. Durch Bloombergs Kandidatur wird das Rennen ums Weiße Haus spannender.

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