Schoa

»Ich empfinde tiefe Scham«

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz der Opfer der Nazi-Verbrechen gedacht. An der sogenannten Schwarzen Wand im Stammlager Auschwitz I hielt sie für eine Gedenkminute inne und legte einen Kranz an der Todeswand nieder.

Dort waren Tausende Häftlinge erschossen worden. Zuvor hatte die Kanzlerin eine Gaskammer und ein Krematorium besichtigt. Merkel wurde vom polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und dem Direktor der Gedenkstätte und Präsidenten der Stiftung Auschwitz-Birkenau, Piotr Cywinski, begleitet.

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Sie »empfinde tiefe Scham«, sagte Merkel. Angesichts der Verbrechen, die die Grenzen alles Fassbaren überschritten, müsse man vor Entsetzen eigentlich verstummen, sagte Merkel. Dennoch dürfe das Schweigen nicht die einzige Antwort sein. Deutschland sei verpflichtet, die Erinnerung an die damaligen Verbrechen wachzuhalten.

Sie erinnerte an die sechs Millionen Juden, die in der NS-Zeit in Europa ermordet wurden, aber auch an andere verfolgte Gruppen wie Sinti und Roma, Widerstandskämpfer oder Menschen mit Behinderungen.

Die Kanzlerin betonte, es sei wichtig, deutlich zu benennen, dass damals Deutsche die Täter gewesen seien. Dies sei man auch den Opfern schuldig. Die Verantwortung für die damaligen Taten gehörten untrennbar zu Deutschland, sie seien fester Teil der nationalen Identität.

GESCHENK Merkel bezeichnete es als großes Geschenk, dass es heute in Deutschland wieder ein blühendes jüdisches Leben gebe. Das gleiche fast einem Wunder, sagte Merkel. An die Verbrechen Deutscher zu erinnern, die Täter zu benennen und den Opfern ein würdiges Andenken zu erhalten, »ist nicht veräußerbar«.

Dies deutlich zu sagen, sei in diesen Tagen nötig. Denn es gebe zurzeit wieder mehr Angriffe auf die liberale Demokratie, es gebe zunehmenden Rassismus und Hass sowie Antisemitismus. Merkel betonte: »Wir dulden keinen Antisemitismus.« Auschwitz mahne täglich daran.

Anlass für Merkels Besuch ist das zehnjährige Bestehen der Stiftung Auschwitz-Birkenau, die sich für den Erhalt der Gedenkstätte einsetzt.

Man müsse denen widersprechen, die gegen Menschen anderen Glaubens Hass schürten. »Wir dürfen niemals vergessen; einen Schlussstrich kann es nicht geben und auch keine Relativierung«, sagte Merkel.

ERINNERUNG Zusammen gingen die Kanzlerin, Morawiecki und Cywinski auch zu dem berüchtigten Tor mit dem zynischen Schriftzug »Arbeit macht frei«. Merkel besichtigte Häftlingsblocks, in denen Ausstellungsstücke wie leere Dosen des Giftes Zyklon B zu sehen sind, mit dem Menschen in Auschwitz vergast wurden.

Bogdan Stanislaw Bartnikowski, der Auschwitz als Kind überlebt hatte, sprach als erster bei der Gedenkveranstaltung zum zehnten Gründungsjubiläum der Stiftung Auschwitz-Birkenau. In der ehemaligen »Sauna« des Vernichtungslagers, sagte er,  damals sei für in dieser Saal der Vorraum zur Hölle gewesen. Er sei im August 1944 ins Lager gekommen und andere Häftlinge hätten ihm gesagt, man könne dieses Lager nur durch den Schornstein verlassen.

Auschwitz-Überlebender Bogdan Stanislaw Bartnikowski sprach als erster bei der Gedenkveranstaltung zum zehnten Gründungsjubiläum der Stiftung Auschwitz-Birkenau.

Aber 1945 sei seine Nummer von einem Blockschreiber laut vorgelesen worden, und er habe seine Mutter, die auch im Lager war, wiedergetroffen. »Man gab uns alte Kleider, wir wurden zum Eisenbahngleis getrieben, ich hielt meine Mutter an der Hand. Und dann stellte sich heraus, dass es doch einen Weg gibt, und ich gehe zusammen mit meiner Mutter. Aus Birkenau. Wir haben fest daran geglaubt, dass es doch möglich ist.«

Polens Ministerpräsident Morawiecki appellierte in seiner Ansprache, die Erinnerung an die Verbrechen von Nazi-Deutschland wachzuhalten. »Wir sind verpflichtet, diese Erinnerung weiterzutragen«, sagte Morawiecki.

VERANTWORTUNG Es war der erste Besuch Merkels in Auschwitz. Vor ihr hatten schon die Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU) die Gedenkstätte besucht.

Anlass für Merkels Besuch ist das zehnjährige Bestehen der Stiftung Auschwitz-Birkenau, die sich für den Erhalt der Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Lagers einsetzt. Angesichts der historischen deutschen Verantwortung stellen Bund und Länder für die Erhaltung der Gedenkstätte zusätzlich insgesamt 60 Millionen Euro für den Kapitalstock der Stiftung zur Verfügung.

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zentralrat Merkel wurde unter anderem vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, begleitet.

Kanzlerin Merkel traf in Auschwitz zudem den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder. Er dankte ihr für die 60 Millionen Euro, die Deutschland am Donnerstag als Unterstützung für den internationalen Fonds der Stiftung Auschwitz-Birkenau zugesagt hatte.

Das Geld fließt in den Stiftungsfonds, aus dem der Erhalt der Überreste des ehemaligen Vernichtungs- und Konzentrationslagers finanziert wird. Kanzlerin Merkel sei eine geschätzte und zuverlässige Verbündete im Kampf gegen Antisemitismus, sagte Lauder.

Das nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im von Deutschland besetzten Polen gilt weltweit als Symbol für den Holocaust. Nach Schätzungen starben dort mehr als eine Million Menschen, zumeist Juden.  dpa/epd/ag

Lesen Sie dazu mehr in unserer nächsten Ausgabe am Donnerstag.

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