Interview

»Herr Greif wurde gebraucht«

Im bosnischen Srebrenica wurden im Juli 1995 mehr als 8000 Bosniaken – fast ausschließlich Männer und Jungen zwischen - von serbischen Milizen ermordet Foto: imago images/Pixsell

Herr Ceresnjes, finden Sie es angemessen, dass Deutschland dem israelischen Historiker Gideon Greif das Bundesverdienstkreuz verleihen will?
Als guter Jude möchte ich auf Ihre Frage mit einer Gegenfrage antworten: Warum ausgerechnet Deutschland? Jeder, der mit Gideon Greifs früherer Arbeit für Yad Vashem vertraut ist, weiß, dass er ein weltbekannter Holocaust-Experte ist. Gleichzeitig aber muss man sich fragen, warum gerade er dafür ausgesucht wurde, den Fall Srebrenica neu aufzurollen.

Was ist Ihre Antwort?
Die serbische Seite hat einen Bericht gekauft hat und sieht seinen Namen als Trumpfkarte im Kampf um die internationale Meinungsführerschaft. Greif - ein jüdischer Israeli und ehemaliger Yad Vashem-Mitarbeiter - sollte diesem Bericht Gewicht verleihen. Und Deutschland wurde historisch gesehen immer als Gegner der Serben angesehen. Das war nun eine gute Gelegenheit, um das Gegenteil zu beweisen.

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Es gibt Historiker, die argumentieren, dass Srebrenica kein Völkermord, aber dennoch eine Gräueltat war. Was ist Ihre Meinung dazu?
Meiner bescheidenen Meinung nach - und ich bin kein Historiker - handelt es sich eindeutig um ein schlimmes Kriegsverbrechen. Ich sehe keine Notwendigkeit, das näher zu erläutern.

Warum gibt es dann immer noch eine Debatte über das, was vor fast 30 Jahren geschah? Es liegen doch alle traurigen Fakten auf dem Tisch ...
Die Völker auf dem Balkan streiten ja noch über den Zweiten Weltkrieg, ja sogar des Ersten und Zweiten Balkankrieg, die österreichisch-ungarischen Besatzung Bosniens, die fünf Jahrhunderte währende osmanische Herrschaft in Bosnien und andere Kriege, Siege und Niederlagen. Es gibt sogar Leute, die bis in die Zeit des Römischen Reiches zurückgehen und immer noch mit den Worten »wir« und »ihr« über Dinge argumentieren, die anderswo in Europa längst vergessen sind. Verständlicherweise. Die Geschichte ist Teil unserer Gegenwart.

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Aber warum können sich die Serben nicht damit abfinden, was in Srebrenica geschehen ist und es als das anerkennen, was es war?
Weil bislang die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs, die an Serben begangen wurden, von Kroaten und bosnischen Muslimen, auch nicht so richtig anerkannt werden. Es ist meine Erklärung, keine Rechtfertigung. Ich vermute, dass der Fall Srebrenica in dieser Lesart nur als eine Art »Kompensation« historischen Unrechts angesehen wird. Herr Greif wurde gebraucht, um die geschichtliche Wahrheit in einen Zusammenhang zum Holocaust zu »setzen«.

Das Interview mit dem Architekten und früheren Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von Bosnien-Herzegowina, der seit 25 Jahren in Israel lebt, führte Michael Thaidigsmann.

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