USA

»Hail Trump!«

Vergangene Woche in Manhattan: Jüdische Demonstranten protestieren gegen Stephen Bannons Ernennung zum Chefstrategen. Foto: dpa

Elf Tage nach Donald Trumps Wahlsieg kamen in Washington geschätzte 300 Aktivisten zu einer Tagung des National Policy Institute (NPI) zusammen. Teilnehmer rissen den rechten Arm hoch zum Hitlergruß und riefen: »Hail Trump, hail our people, hail victory!« Die Bilder gingen um die Welt.

Das NPI stellt sich als Organisation vor, die sich »der Identität und der Zukunft von Menschen europäischer Abstammung in den USA« widme. Weiße hätten Amerika gegründet, »und es gehört uns«, sagte NPI-Chef Richard Spencer in Washington. »Im Blut in unseren Venen als Kinder der Sonne liegt das Potenzial für Großartigkeit.«

Das US Holocaust Memorial Museum äußerte sich »zutiefst alarmiert«. Der Holocaust habe »nicht mit Töten begonnen, sondern mit Worten«.

Tarnung Es ist nicht einfach, Einfluss und Strategie der diffusen neuen (oder vermutlich gar nicht so neuen) Strömung einzuschätzen, zu der Spencer und das NPI gehören, und auch so mancher Trump-Wähler.

Die Bewegung trägt gerne das verharmlosende Etikett »alt-right« (alternative Rechte). Manche Anhänger nennen sich »weiße Nationalisten«. Der Begriff sei vergleichbar mit dem Versuch der Holocaustleugner, nicht als Leugner, sondern lediglich als »Revisionisten« aufzutreten, sagte die Historikerin Deborah Lipstadt im Radiosender NPR. Man habe es zu tun mit »white supremacists«, Anhängern der Theorie vom weißen Herrenmenschen.

Was sich »alt-right« nennt, zieht (vor allem online) zu Felde gegen liberale Werte, die »politische Korrektheit«, eine »globalisierte Elite«. Man spreche für die »Mehrheit«, die sich nicht wiedererkenne im bunten Amerika. Das sind weiße Themen, die Donald Trump aufgegriffen hat.

Antisemitismus gehört zu »alt-right«. Die jüdische Gemeinschaft in den USA habe »seit den 30er-Jahren im Mainstream des politischen und öffentlichen Diskurses« nicht mehr so viel Antisemitismus erlebt, erklärt der Direktor der Anti-Defamation League (ADL), Jonathan Greenblatt. »Berichte von möglichen Hassverbrechen« überfluteten die ADL-Büros. Die jüdische Wochenzeitung »Forward« berichtete, ihre Journalisten hätten Hunderte antisemitische Tweets, Mails und Telefonanrufe bekommen, sogar an Privatadressen.

Sehr beunruhigt sind viele im Land von einer Personalie: Im Weißen Haus soll als Chefstratege Stephen Bannon Platz nehmen. Er war Manager der Trump-Wahlkampagne und bis vor mehreren Monaten Chef von Breitbart.com, der Plattform der Alt-right, wie Bannon in einem Interview im Sommer sagte.

Rabbi Jonah Dov Pesner, Direktor des Religious Action Center of Reform Judaism, erklärte: »Mr. Bannon war verantwortlich für die Förderung von Ideologien, die unserer Nation widersprechen, einschließlich Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Islamophobie.«

Bannon wiegelt ab. »Ich bin kein weißer Nationalist«, sagte er dem Hollywood Reporter. »Ich bin ein Wirtschaftsnationalist.«

Man werde nie wissen, wie es in Bannons Herzen aussehe, schrieb die Journalistin Bari Weiss im jüdischen Online-Magazin Tablet. Es komme auf die Taten an. Doch sei Bannon stolz auf »sein Breitbart« als Megafon für eine Bewegung, die Juden »als Vorkämpfer der verachtenswertesten Mächte im Land wie Globalismus und elitäres Denken identifiziere«.

In der jüdischen Community gehen die Ansichten auseinander. Präsidenten hätten das Recht, »ihre Teams auszuwählen, und wir erwarten nicht, dass wir uns jedes Mal äußern, wenn eine Schlüsselposition besetzt wird«, sagte ein Vertreter des American Jewish Committee in der Washington Post.

Rassismus Donald Trumps Wahlkampf verstanden antisemitische Kräfte im Land als unmissverständliches Signal. Der künftige Präsident hat in den USA Löcher in eine Decke gerissen, die Rassismus und Antisemitismus sowie Feindseligkeit gegen Muslime bisher notdürftig verdeckt hielt.

Im Wahlkampf verkündete Trump, seine Gegnerin Hillary Clinton tue sich im Geheimen mit »internationalen Banken« zusammen, um über die Zerstörung der »US-Souveränität« zu beraten. Die »Alternative Rechte« hat diese Botschaft verstanden, auch wenn sich Trump nach dem NPI-Event in Washington inzwischen von der Bewegung distanziert hat.

Mittlerweile geht der Wahlkampf in eine weitere Runde. Die ehemalige grüne Präsidentschaftsanwärterin Jill Stein (vgl. Jüdische Allgemeine vom 15. September) bemüht sich um Nachzählung der abgegebenen Stimmen in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. Einige Zehntausend Stimmen mehr für Hillary Clinton könnten das Wahlergebnis entscheidend verändern.

Breitbart.com berichtet über die Nachzählung im gewohnten Stil: »Verbitterte Hollywood Celebrities« suchten jetzt einen »Sonnenstrahl«.

Laut Steins Webseite sind inzwischen mehr als 130.000 Spenden für die Nachzählung eingegangen. Kritiker im Trump-Lager fragen süffisant, woher das Geld wohl komme. »Wie wissen wir, dass es nicht aus ausländischen Quellen stammt?« Die antisemitische Schlammschlacht geht weiter.

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