Zack Polanski

Grün, schwul, jüdisch

Kandidiert bei den Wahlen zum Gesamtlondoner Rat im Mai 2020: Zack Polanski Foto: Daniel Zylbersztajn

»An diesem kleinen Park liegt mir viel«, schwärmt Zack Polanski. Es ist ein warmer Sommertag in London. Auf dem Rasen vor der St. Anne’s Church im Stadtteil Soho, einem der Zentren der schwul-lesbischen Community der Stadt, wo die Welt des Theaters, der Cafés und Bars an ein Rotlichtviertel grenzt, haben sich in der Sonne etliche Menschen zur Mittagspause niedergelassen. Zack Polanski ist mit dem Fahrrad gekommen, er trägt ein blaues T-Shirt und Jeans.

Aufgewachsen ist er in Manchester, aber er lebt schon lange in London. Er ist Mitglied der Grünen und will sich nächstes Jahr im Mai in den Stadtrat wählen lassen.

Obwohl die Grünen in England und Wales aufgrund des Mehrheitswahlrechts bisher nie so viel Erfolg verbuchten wie in Deutschland, sind sie in London seit den 90er-Jahren als Stadträte in einigen der 32 Bezirksregierungen sowie im London-weiten Stadtrat präsent.

Bei einer politischen Aktion eine Brücke zu besetzen, ist für ihn Tikkun Olam.

Wie auch in Deutschland hat die Popularität der Grünen durch das Bewusstwerden des Klimawandels und der Luftverschmutzung allmählich zugenommen. Polanskis Chancen sind deshalb keineswegs schlecht.

Polizeitraining Sein Geld verdient der 36-Jährige als Schauspieler. Aber er tritt nicht nur auf der Bühne auf, sondern auch als Akteur beim Training von Polizei- oder Krankenhauspersonal. Und nebenbei arbeitet er regelmäßig für die LGBTQ*-Community.

In seiner Freizeit singt er im London International Gospel Choir. »Die Stimmung reißt mich mit«, schwärmt er. Aber: Ist das jüdisch? Er winkt ab und beschwichtigt: »Nur einige der Lieder, die wir singen, sind christlich.« Er stehe »vollkommen und vor allen kulturell zum Judentum«, sagt er. Zwar gehe er nicht mehr regelmäßig in den Synagogengottesdienst, aber die neue jüdische Ökobewegung in London habe es ihm sehr angetan. Es gehe ihm um das jüdische Prinzip »Tikkun Olam«, die Verbesserung der Welt.

Von den fünf Kindern seiner Eltern, die getrennt lebten, war Zack Polanski der Mittlere. In Manchester besuchte er zunächst eine jüdische und dann eine humanistische Schule. Dort erwachte sein Interesse an politischen Themen. Da er als Jude gemeinsam mit noch ein paar Jungen von der täglichen Morgenandacht befreit war, sollten er und die anderen die freie Zeit zur schulischen Diskussion nutzen. »Wir mussten Vorträge über alles Mögliche halten«, erinnert er sich.

Doch diese »Freistunden« schulten bei Polanski das Argumentieren und weckten eine Leidenschaft für Politik. Schließlich entschied er sich, die Schule zu verlassen, und ging an ein Kolleg. Dort studierte er Soziologie und Drama. Nach Ende der Ausbildung und »um einfach mal wegzukommen«, ging er in die USA, nach Atlanta, und machte eine Schauspielausbildung. Zurück in England, ließ er sich in London nieder, wo er sich im Laufe der Zeit immer mehr von grünen Themen angezogen fühlte, obwohl er sich schon immer auch für soziale Fragen interessiert hatte.

Vegan »Recherchen für eine Dokumentation über die vegane Lebensweise beeinflussten mich so stark, dass ich selbst anfing, Tierprodukte zu vermeiden«, erzählt Polanski. So kam es, dass er heute vollkommen vegan lebt.

Nach einigen Jahren bei den Liberalen trat er 2017 den Grünen bei. »Ich halte sie für pro-aktiver als die Liberaldemokraten. Sie haben bessere Vorschläge zum Umweltschutz und bessere politische Ziele, wie die Entkriminalisierung von Cannabis oder die Forderung nach einer Änderung des Wahlsystems.«

Dass er bei den Wahlen zum Gesamtlondoner Rat kandidiert und nicht als Vertreter einer der 32 Stadtteilgemeinden, habe damit zu tun, dass er sich eher mit London als Ganzem identifiziert. Als seine politischen Ziele für die Stadt nennt er neben dem Einsatz gegen den Klimawandel eine bessere Fahrradinfrastruktur und mehr Hilfe für Obdachlose.

Polanski ist es mit dem Klimaschutz sehr ernst. Vor einigen Jahren trat er einer jüdischen Gruppe der Klimaprotestbewegung Extinction Rebellion (XR) bei. Als sie einmal in London verschiedene Verkehrsknotenpunkte besetzte, weigerte sich Polanski, eine blockierte Brücke zu räumen, und ließ sich von der Polizei festnehmen. Es sei für ihn, sagt er, ein Akt von Tikkun Olam gewesen.

Auch wenn er bei den Grünen viele Vorzüge sieht, ist er enttäuscht, dass beim letzten nationalen Parteikongress der Antrag, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) anzunehmen, nicht durchkam. Manche in der Partei behaupteten, die Definition solle Kritik an Israel ausschalten, andere meinten, die Grünen seien ja überhaupt nicht antisemitisch.

Polanski will sicherstellen, dass das Thema beim nächsten Parteitag im September tatsächlich diskutiert wird.

bds Vor anderthalb Jahren hat er gemeinsam mit einigen anderen jüdischen Grünen eine jüdische Gruppe innerhalb der Partei gegründet. »Ich werde niemals Antisemitismus dulden, denn ich bin stolz darauf, jüdisch zu sein«, sagt er.

Polanski vermutet, dass es eine intensive Debatte werden wird. Denn bisher sind die Grünen die einzige Partei in Großbritannien, die einen Boykott von Produkten aus den besetzten Gebieten unterstützt.

Immer wird er auf Israel angesprochen – obwohl seine Vorfahren aus Syrien kommen.

Anderseits ist es Polanski aber auch leid, einfach nur, weil er jüdisch ist, immer wieder Fragen zu Israel beantworten zu müssen, egal ob innerhalb der Partei oder von den Medien. »Ich könnte genauso gut über Syrien sprechen«, findet er, denn seine Vorfahren lebten dort über viele Generationen.

Ernst blickt Polanski über den Rasen. »Einige Wochen ist es her, dass hier die Gedenkfeier für die Opfer des Terroranschlags eines Rechtsradikalen auf die Schwulenkneipe ›Admiral Dunkan‹ vor 20 Jahren stattfand«, sagt er. »Dabei wurden drei Menschen getötet.« Auch deshalb sei der Park etwas Besonderes.

Nachdem derselbe Attentäter auch Bomben in Stadtteilen mit einem hohen muslimischen und schwarzen Bevölkerungsanteil gelegt hatte, wurde angenommen, dass der nächste Anschlag Juden gelten könnte, erzählt Polanski weiter. Doch der Täter wurde bald gefasst, und London behauptete sich selbstbewusst als Stadt für alle Menschen jeglichen Hintergrunds. Sogar die angegriffene Kneipe öffnete wenige Wochen nach dem Attentat wieder.

Als jüdischer und schwuler Kandidat der Grünen ist Polanski Vertreter und Symbol zweier Londoner Gemeinschaften, deren Lebenswillen dieser rechtsextreme Einzeltäter vor 20 Jahren treffen wollte.

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025