Bosnien und Herzegowina

Goldschmidt: Boykott von Rabbinertreffen ist »eine Schande«

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Träger des Aachener Karlspreises 2024 Foto: IMAGO/Sven Simon

Eigentlich wollte die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) kommende Woche in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ein Treffen ihres Vorstandes abhalten. Mehrere Dutzend Rabbiner aus ganz Europa hatten ihre Teilnahme angekündigt. Es sollte um aktuelle Fragen jüdischen Lebens in Europa gehen.

Doch am Mittwochmorgen erreichte CER-Geschäftsführer Gady Gronich die E-Mail einer »Swisshotel«-Mitarbeiterin. Sie war eindeutig formuliert: »Aufgrund der jüngsten Entwicklungen und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit der bevorstehenden Veranstaltung sind wir leider nicht in der Lage, die Konferenz an unserem Veranstaltungsort durchzuführen.«

Weiter schrieb sie: »Angesichts der aktuellen Umstände und auf Grundlage der Informationen und Anweisungen der Behörden müssen wir mit dem Ziel, die Sicherheit aller Teilnehmer zu gewährleisten und unsere Mitarbeiter und unser Eigentum zu schützen, alle zuvor getroffenen Vereinbarungen stornieren.«

»Versuch, unser Land moralisch zu demütigen«

Auslöser für die Absage war ein offener Brief des Arbeitsministers der bosnischen Föderation, Adnan Delić. Darin hatte er wegen des Krieges in Gaza zur Absage des Rabbinertreffens aufgerufen. Israel nannte Delic ein »völkermörderisches Gebilde«, die Tagung dürfe nicht in Sarajevo stattfinden.

Delić forderte »die Organisatoren auf, die Konferenz in Sarajevo unverzüglich abzusagen, alle relevanten Institutionen, ihre Durchführung zu verhindern, und die Bürger und zivilgesellschaftlichen Organisationen, angesichts dieses Versuchs, unsere Hauptstadt und unser Land moralisch zu demütigen, nicht zu schweigen.«

Für den Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, waren die Worte des Politikers ein Affront. »Kein bosnischer Regierungsvertreter hat Kontakt zu uns aufgenommen. Wir sind nicht willkommen«, erklärte der frühere Moskauer Oberrabbiner in einer Pressemitteilung. »Die Veranstaltungen der CER fördern den Dialog, interreligiöse Aktivitäten und das öffentliche Engagement. Das ist ein Verlust für Sarajevo.«

Israelfeindliche Demonstration in Sarajevo (Archivbild)Foto: imago images/Pixsell

Offenbar seien dort alle willkommen, nur die Juden nicht, so der CER-Präsident. Bosnien und Herzegowina erklärte 1992 seine Unabhängigkeit. Rund die Hälfte seiner Bevölkerung ist muslimisch. In den 90er-Jahren wurde das Land durch einen Bürgerkrieg zwischen den drei wichtigen Bevölkerungsgruppen - den Bosniaken, Serben und Kroaten - schwer in Mitleidenschaft gezogen. Rund 100.000 Menschen kamen ums Leben. Seitdem gibt es immer wieder Spannungen.

Ersatzort München

Das Balkanland führt seit einigen Jahren Verhandlungen für einen Beitritt zur Europäischen Union. Goldschmidt nannte den Boykott seiner Organisation durch die staatlichen Autoritäten Bosniens »eine Schande« und einen klaren Verstoß der Autoritäten gegen die Werte und die Grundrechtecharta der Europäischen Union.

»Bosnien und Herzegowina sollte nach dieser schändlichen Bestrafung einer europäischen Glaubensgemeinschaft aus dem Beitrittsprozess zur Europäischen Union ausgeschlossen werden«, forderte der Rabbiner.

Auch Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) äußerte sich ähnlich. Die ORD verlangte am Donnerstag eine «klare Stellungnahme” des Auswärtigen Amtes, der Bundesregierung und des Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina. «Schlimm ist, dass gar nicht mehr zwischen europäischen Juden und Israel unterschieden wird.” Gerade Sarajevo, das sich stets als Ort des interreligiösen Dialogs und der Toleranz verstehe, enttäusche durch «politisches Einknicken”, so die deutschen Rabbiner.

Ein Sprecher der Europäischen Kommission sagte in Brüssel: »Die Achtung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsätze ist für jedes Land, das der Europäischen Union beitreten möchte, von wesentlicher Bedeutung.«

Er nannte es »bedauerlich, dass die zuständigen Behörden in Bosnien und Herzegowina ihre Einladung zur Konferenz der Europäischen Rabbiner in Sarajevo zurückgezogen haben.« Man werde dies weiter im Auge behalten, so der Sprecher.

Für die CER-Vorstandstagung gibt es nach Angaben der Rabbinerkonferenz bereits Ersatz. »Wir freuen uns, dass die bayerische Staatsregierung die Verlegung unserer Veranstaltung nach München unterstützt.« Dort hat die Rabbinerkonferenz seit zwei Jahren ihren Sitz. Als Organisation werde man sich trotz des Boykotts auch »weiter unbeeindruckt für die jüdischen Gemeinden in Europa engagieren«, teilte der Verband mit.

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