Argentinien

Gerangel um die Mehrheit

Das jüdische Hilfswerk AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina) in Buenos Aires ist polarisiert. Orthodoxe und Nicht-Orthodoxe blockieren sich gegenseitig. Trotz der Wahl im April ist nach wie vor die alte Führungskommission im Amt. »Sie tritt erst ab, wenn die neue gewählt ist«, sagt der noch immer amtierende Generalsekretär Julio Schlosser und versichert: »Auf die alltägliche Arbeit der AMIA hat dies aber keinerlei Auswirkungen.«

Bisher kam jedoch weder eine Sitzung der neugewählten Versammlung zustande, noch wurde ein neuer Präsident gewählt. Eigentlich hätte die Wahl im April Anlass zu großer Zufriedenheit geben können. An der Stimmabgabe nahmen 10.741 Personen teil, das sind mehr als 50 Prozent der eingeschriebenen wahlberechtigten Mitglieder.

Die rege Beteiligung kam nicht unerwartet, hatte doch nach dem vorletzten Urnengang mit Guillermo Borger erstmals in der Geschichte der AMIA ein Orthodoxer das Präsidentenamt übernommen. Rein zahlenmäßig sind die Orthodoxen in der Minderheit, doch sind sie disziplinierter: »Wenn sie wissen, sie sollen wählen, dann gehen sie auch«, so Schlosser, der sich selbst dem konservativen Flügel zuordnet. Die Tatsache, dass die Anhänger des »Block Vereinte Religiöse« (Bloque Unido Religioso) wieder diszipliniert und zahlreich zu den Urnen gehen würden, hatte die konservative Wählerschaft mobilisiert.

Da die Orthodoxen aber mit einer Liste und die Nicht-Orthodoxen mit drei Listen angetreten waren, gingen die Orthodoxen als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Ihre Liste »Bloque Unido Religioso« kam auf 4.360 Stimmen. Die religiös-liberale »Plurale Aktion« (Acción Plural) landete mit 3.880 Stimmen auf dem zweiten Platz. Die »Frente Comunitario« erhielt 2.183 Stimmen, und die Liste »Iajad« kam auf 366.

Bei den meisten Themen herrscht Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Listen. »Es bleiben nur wenige Punkte, bei denen es Differenzen gibt.« Doch die scheinen unüberwindbar: In Fragen der Konversion sind sich Orthodoxe und Konservative alles andere als einig. Auch wünscht sich das »Movimiento Conservador« ein eigenes Rabbinat. Weiterer Streitpunkt ist der Friedhof in La Tablada bei Buenos Aires. Hier entsteht ein neuer Abschnitt, auf dem Übergetretene und deren Familienangehörige bestattet werden sollen. Die Orthodoxen beharren aber darauf, dass dort kein Jude beerdigt werden darf.

Die AMIA hat ein indirektes Wahlsystem. Aus den 90 Delegierten der Versammlung, des Parlaments der AMIA, werden die 24 Mitglieder der neuen Führung bestimmt. Sind diese gewählt, rücken deren Stellvertreter ins Parlament nach und füllen so die 90 wieder auf.

Nach der Wahl hatte keine der Gruppierungen die Mehrheit von 46 Delegierten erreicht: Der Bloque Unida erhielt 37 Mandate, die Acción Plural kam auf 32, Frente Communitario auf 18 und Iajad auf drei. Die nachfolgenden Sondierungsgespräche brachten für keine Seite eine Mehrheit.

Der Bloque Unida ging mit einem Teil der Frente Communitario eine Allianz ein. Sechs Delegierte aus der Frente sagten den Orthodoxen ihre Unterstützung zu. Dazu kamen zwei aus dem Iajad. Die Acción Plural verbündete sich mit den zwölf Delegierten der Frente, während ein Delegierter des Iajad keiner Seite seine Zustimmung gab.

Das Stimmenverhältnis von 45 zu 44 bei einer Enthaltung führte dazu, dass die Versammlung nicht beschlussfähig war und sich nicht konstituieren konnte. Zweimal scheiterte der Versuch, das Quorum für eine ordentliche Sitzung zustande zu bringen, daran, dass die Hälfte der Delegierten am Sitzungstermin einfach nicht erschien. »Sollte es auf der nächsten Sitzung am 7. November keine Beschlussfähigkeit geben, sind Neuwahlen der einzige Ausweg«, so Schlosser.

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