Interview

»Gegenüber Terror kann es keine Neutralität geben«

Bundeskanzler Sebastian Kurz Foto: picture alliance/dpa

Interview

»Gegenüber Terror kann es keine Neutralität geben«

Österreichs Bundeskanzler über Israels Flagge auf seinem Amtssitz, Solidarität und die Folgen im Verhältnis zum Iran

von Philipp Peyman Engel  20.05.2021 10:33 Uhr

Herr Bundeskanzler Kurz, Sie haben letzte Woche aus Solidarität mit dem jüdischen Staat die israelische Flagge über dem Bundeskanzleramt in Wien hissen lassen. Warum war Ihnen dieses Zeichen wichtig?
Israel wird seit Tagen von der islamistischen Terrororganisation Hamas mit rund 4000 Raketen angegriffen. Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung gegen diese Angriffe. Als kleines neutrales Land senden wir damit ein klares Zeichen unserer vollen Unterstützung für die vielen Frauen, Kinder und Männer, die in Israel seit Tagen in Luftschutzbunkern Schutz suchen müssen vor den Angriffen der islamistischen Terrororganisation Hamas. Gegenüber Terror kann es keine Neutralität geben! Zuletzt war Wien Opfer eines islamistischen Terroranschlags, und Länder wie Frankreich oder Israel haben Solidarität mit uns gezeigt.

Viele Spitzenpolitiker, selbst Regierungschefs, rufen Israel immer wieder dazu auf, die »Gewaltspirale« zu beenden und zur »Deeskalation« beizutragen. Was halten Sie von solchen Formulierungen?
Man muss hier schon klar benennen, von wem die Raketenangriffe ausgehen, gegen die sich Israel zu Recht verteidigt, nämlich von der islamistischen Terrororganisation Hamas. Ich hoffe auch, dass es bald wieder zu einer Deeskalation kommt. Denn die Region ist ohnehin volatil genug, und die Menschen haben sich ein Leben in Frieden und Sicherheit verdient.

Auch in Österreich gab es israelfeindliche und antisemitische Kundgebungen von mehrheitlich arabischen Demonstranten. Kann sichergestellt werden, dass zumindest versucht wird, Ermittlungen gegen die betreffenden Demonstranten einzuleiten?
In Österreich gehen wir mit aller Entschiedenheit gegen alle Formen des Antisemitismus vor. Juden und Jüdinnen müssen in Österreich sicher sein. Denn ein Europa ohne Juden ist nicht mehr Europa. Wir nehmen daher diese Vorfälle sehr ernst. Innenminister Karl Nehammer und Integrationsministerin Susanne Raab haben sofort und unmissverständlich jegliche Form des Antisemitismus bei diesen Demonstrationen verurteilt. Die Polizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung haben Ermittlungen gegen die Organisatoren der Demonstrationen eingeleitet. Mit der Israelitischen Kultusgemeinde und der israelischen Botschaft stehen wir in einem sehr engen Austausch.

Gibt es Möglichkeiten, diese Kundgebungen mit Verweis auf die zu erwartenden antisemitischen Beschimpfungen und Verstöße gegen die Corona-Bestimmungen künftig zu verbieten?
Die Polizei prüft natürlich alle Möglichkeiten. So wurde unter anderem ein Platzverbot vor der israelischen Botschaft in Wien erlassen, und teils werden auch Veranstaltungen untersagt oder aufgelöst. Bei antisemitischen Vorfällen schreiten unsere Polizistinnen und Polizisten sofort ein, um diese zu unterbinden und zur Anzeige zu bringen.

Irans Außenminister Dschawad Sarif sagte nach dem Hissen der Fahne einen für Ende vergangener Woche geplanten Besuch in Wien bei Außenminister Alexander Schallenberg ab. Was sagen Sie den Kritikern des Flaggenhissens, warum dieser Schritt trotzdem richtig war?
Ich möchte in aller Klarheit festhalten, dass wir nicht schweigen können, wenn Israel von der islamistischen Terrororganisation Hamas mit rund 4000 Raketen angegriffen wird. Denn es kann keine Neutralität gegenüber Terror geben, und unsere Unterstützung für Israel machen wir nicht abhängig von diplomatischen Besuchen.

Ihre Regierung hat die libanesische, eng mit dem Iran verwobene Hisbollah als Terrororganisation verbieten lassen. Sie hatten das schon länger angestrebt. Warum?
Das Existenzrecht Israels darf nicht infrage gestellt werden. Die schiitisch-islamistische Terrororganisation Hisbollah bestreitet jedoch das Existenzrecht Israels und ist so wie die Hamas eine ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der Region sowie die Sicherheit Israels. Wir verbieten daher alle Symbole der Hisbollah. Dieser Schritt reflektiert die Realität: Die Gruppe selbst macht in ihrem Auftreten nach außen keine Unterscheidung zwischen dem militärischen und politischen Arm.

Die Fragen stellte Philipp Peyman Engel.

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