Grossbritannien

Fünf Ringe unterm Davidstern

Am 27. Juli ist es so weit: Die Olympischen Spiele in London beginnen. Foto: Reuters

Kaum ist die Fußball-EM vorbei, freuen sich Sportfans aus aller Welt auf das nächste Highlight des Jahres. Am 27. Juli beginnen in London die Olympischen Sommerspiele. Doch seit Monaten brennt das olympische Feuer in den Herzen der englischen Juden. »Wir wollen allen Teilnehmern und Besuchern einen herzlichen Empfang bereiten«, sagt Rabbinerin Debbie Young-Somers von der West London Synagogue.

Obwohl ihre Gemeinde nicht in unmittelbarer Nähe des olympischen Geschehens gelegen ist, hofft Young-Somers auf zusätzliche Gäste »in der sonst so ruhigen Sommerzeit«. Gastfreundschaft ist auch eines der zentralen Anliegen des Jewish Committee for the London Games (JCLG). »Sie ist für Juden Tradition«, sagt Esmond Rosen. Der Mitarbeiter des Jewish Volunteer Network ist seit 2008 gemeinsam mit Vertretern des London Jewish Forum, von Maccabi GB und der Organisation United Jewish Israel Appeal (UJIA) damit beschäftigt, jüdischen Teilnehmern und Zuschauern der Olympischen Spiele den Aufenthalt in London so angenehm wie möglich zu gestalten.

Die eigens für diesen Zweck ins Leben gerufene Website visitjewishlondon.com informiert über das jüdische London und führt die Besucher nicht nur zu den historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten der Stadt, sondern auch zu den vielen koscheren Restaurants und Delis, Synagogen und Judaica-Geschäften. »Die Olympischen Spiele in London sind ein einmaliges Ereignis, für das wir die jüdische Gemeinde begeistern wollen«, sagt Rosen.

körperkult Denn trotz der zahlreichen jüdischen Topathleten wie Ben Helfgott oder Mark Spitz ist das Verhältnis der Juden zum Sport gespalten und mit Vorurteilen behaftet. »Nach allgemeiner Vorstellung gehören Juden und Sport verschiedenen Welten an«, sagt Nitza Spiro von der Londoner Bildungsstätte Spiro Ark. Eine Sichtweise, die in der Geschichte wurzelt. Der Körperkult der frühen Olympischen Spiele, von den Griechen als Fest für die Götter inszeniert und gefeiert, wurde von den Juden abgelehnt. »Sie glaubten, mit sportlichen Aktivitäten ihre Intellektualität zu vernachlässigen«, erklärt Spiro.

»Obwohl der Talmud lehrt, der Erhalt eines gesunden Körpers sei wichtig, weil er das Gefäß für die Seele ist, ging der Trend im Judentum nicht in Richtung Sport. Töchter wurden angehalten, keine Sportler, sondern Rabbiner zu heiraten, um intelligente Kinder zu bekommen«, sagt Spiro.

Um diesen traditionellen Vorstellungen entgegenzuwirken, initiierte Spiro im Mai und Juni die achtteilige Vortragsreihe »Juden im Sport«. Namhafte Sportler und Sportjournalisten teilten ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit dem Publikum, unter ihnen der Läufer und Autor Brian Sacks. »Ich bin dankbar für das, was mir der Sport gegeben hat. Sport ist wichtig für die Gesundheit. Ich hoffe, besonders junge Menschen für den Sport begeistern zu können«, sagt Sacks.

Sein Anliegen setzt Maccabi GB vor und während der Spiele in die Tat um: mit Sportveranstaltungen für Kinder und Erwachsene wie dem Community Fun Run, einem Sommerfest, den Mini-Olympics sowie der Olympischen Fackelparade am 25. Juli, kurz vor der Eröffnung der Spiele.

karten »Wir wollen, dass die jüdische Gemeinschaft die Olympischen Spiele aktiv begleitet. Als die führende Sportorganisation der britischen Juden meinen wir, dafür verantwortlich zu sein«, sagt Maccabi-Mitarbeiter Daniel Morris. Maccabi GB organisiert auch den Versand von »Good Luck Cards« für das israelische Olympia-Team, bei dessen Empfang jüdische Schulkinder eine prominente Rolle spielen sollen.

Das JCLG arbeitet eng mit dem Olympischen Komitee zusammen und achtet darauf, dass die Ansprüche der jüdischen Athleten erfüllt werden, zum Beispiel der Wunsch nach koscherem Essen. »Dafür ist im Olympischen Dorf gesorgt«, bekräftigt Rosen. Wer statt kulinarischem eher spirituellen Input benötigt, kann sich an die eigens zu diesem Zweck ernannten »Chaplains« wenden, die auf Abruf religiösen Beistand leisten.

Rabbiner Moshe Muller ist einer von ihnen. »Wir kümmern uns um die geistig-seelischen Bedürfnisse der Athleten. Das ist eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt«, begründet der Chabad-Rabbiner seinen Einsatz. »Von jedem Sport können wir großartige Lektionen lernen, wie wir uns über unsere körperlichen und geistigen Grenzen hinwegsetzen und bessere Menschen werden.«

maskottchen Um die Mission des JCLG wirksam zu verbreiten, wurden zwölf Sportler und Sportlegenden – unter ihnen Ben Helfgott, Anat Fabrikant und Boaz Kramer – zu »Botschaftern« ernannt. Sie besuchen jüdische Gemeinden, Schulen und Sportveranstaltungen in London, um junge Menschen für die Olympischen Spiele zu motivieren, ob als Teilnehmer bei sportlichen Aktivitäten oder als einer der 70.000 freiwilligen Helfer – mit einer speziell für diesen Zweck entworfenen Kippa, die farblich zum Rest der Uniform passt.

Das JCLG wurde auch bei der Schöpfung der Olympia-Maskottchen Wenlock und Mandeville miteinbezogen. In ihrem ersten Online-Abenteuer entdeckt Mandeville die Geschichte der Paralympics: Sie wurden von Sir Ludwig Guttmann gegründet, einem deutsch-jüdischen Arzt, der sich nach seiner Verfolgung durch die Nazis in London niederließ.

»Die Olympia-Begeisterung hat die jüdische Gemeinschaft gepackt«, sagt Rabbiner und Buchautor Jonathan Romain. Und fügt hinzu: »Dank Aufnahmegeräten und TV on demand dürfte auch die früher heftig diskutierte Frage, ob man am Schabbat die Olympischen Spiele verfolgen darf, an Bedeutung verloren haben.«

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