Interview

Fünf Minuten ...

Herr Rabbiner, seit Anfang Juli sind Sie Präsident der Conference of European Rabbis (CER). Was ist Ihre Aufgabe?
Die 1956 gegründete CER möchte das europäische Judentum wiederbeleben. Heute sind rund zehn Prozent der jüdischen Gemeinden in Europa liberal. Weitere zehn Prozent sind ultraorthodox. Den restlichen 80 Prozent stehen orthodoxe Rabbiner vor, aber die Mehrzahl der Gemeindemitglieder lebt kein orthodoxes Leben. Die CER vertritt diese 80 Prozent der jüdischen Gemeinden und Rabbiner in Europa.

Aber in Ländern wie England und Frankreich gibt es eigene Strukturen.
Ja, in einigen europäischen Ländern sind sie wirklich gut ausgeprägt. Aber in den meisten ist das noch nicht der Fall. Und es gibt dort auch nicht das Amt des Oberrabbiners, der die halachischen Standards festsetzt. Für diese Länder übernimmt die CER diese Funktion. In Deutschland arbeitet die CER eng mit der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD) zusammen, die zurzeit die Einrichtung eines Zentralrabbinats vorbereitet.

Mit Ihnen steht erstmals ein Osteuropäer an der Spitze der Organisation. Was wird sich dadurch ändern?
Wir leben in einer globalisierten Welt. Früher war ein Jude an seinem Wohnort Mitglied der Gemeinde. Das ist nicht mehr so. Ein Franzose, der wegen seiner Arbeit in Berlin lebt, wird sich nicht als Mitglied der Berliner Gemeinde fühlen. Deshalb kann die Synagoge heute kein geschlossener Raum sein. Der Rabbiner muss auf die Straße gehen und das Gespräch mit den Juden suchen, die keinen Kontakt mit der Gemeinde haben.

Und wo liegt da der Unterschied zwischen West- und Osteuropa?
Das Bild des Rabbiners in Westeuropa unterscheidet sich grundlegend von dem des Rabbiners in Osteuropa. Im Westen wird der Rabbiner von der Gemeinde angestellt. Er bekommt einen Arbeitsvertrag und widmet sich ausschließlich geistlichen Angelegenheiten. In Osteuropa hingegen gab es nach 1989 keine Rabbiner. Die erste Generation kam aus dem Westen dorthin. Diese Rabbiner kümmerten sich um alle Fragen – angefangen beim Fundraising bis hin zur Einrichtung von Schulen. Es entstand ein neuer Typ des Rabbiners.

Sie machen sich für diesen neuen Typ stark?
Ja. Uns ist es sehr wichtig, dass Rabbiner in der modernen Welt leben. Deshalb haben wir die Organisation »Chulija« gegründet. Sie bildet Rabbiner in praktischen Dingen aus. Am dritten Seminar im Juli haben 30 Rabbiner aus Westeuropa teilgenommen. In einem Crash-Kurs wurde ihnen beigebracht, wie man Fundraising betreibt, in Social Networks im Internet neue Mitglieder an die Gemeinde bindet und vieles mehr.

Was sind die wichtigsten Projekte für die fünf Jahre Ihrer Amtszeit?
Wir wollen zehn Kindergärten und zehn Mikwes einrichten. Außerdem sollen die Rabbiner Schabbatonim durchführen, Wochenendveranstaltungen, zu denen sie die Gemeinde in die Synagoge einladen. Die Organisation Chulija und die luxemburgische Matanel-Stiftung unterstützt uns dabei. Und das vierte Projekt sind Seminare, bei denen die Rabbiner für ihre Arbeit im 21. Jahrhundert fit gemacht werden.

Mit dem Präsidenten der Conference of European Rabbis (CER) und Oberrabbiner von Moskau sprach Christian Jahn.

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Judenhass

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«: Mann plante Messerangriff auf Juden

Der arabischstämmige Mann wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025