Der Fall Alberto Nisman

»Es war kein Selbstmord«

Alberto Nisman (1963–2015) Foto: Reuters

Der Fall Alberto Nisman

»Es war kein Selbstmord«

Der bekannteste Spion des Landes sagt aus und belastet Ex-Präsidentin Cristina Kirchner

von Victoria Eglau  07.03.2016 20:16 Uhr

Ein Jahr lang lag die Causa Nisman mehr oder weniger im Dornröschenschlaf. In der vergangenen Woche beherrschte sie in Argentinien plötzlich wieder die Schlagzeilen. Und das, obwohl es durchaus noch andere wichtige Themen gab: die Beilegung des jahrelangen Schuldenstreits mit den Hedgefonds und die Rede von Argentiniens neuem Präsidenten Mauricio Macri vor dem Kongress. Dass der Fall des am 18. Januar 2015 tot aufgefundenen Staatsanwalts Alberto Nisman die Öffentlichkeit erneut aufrüttelte, lag an der Zeugenaussage des Ex-Agenten Antonio Stiuso.

AMIA-Anschlag Stiuso war einmal der mächtigste Mann des argentinischen Geheimdienstes Secretaría de Inteligencia und arbeitete bei der Untersuchung des Anschlags auf das jüdische Gemeinschaftszentrum AMIA von 1994 eng mit dem Sonderermittler Nisman zusammen. Gemeinsam verfolgten sie die sogenannte »iranische Fährte«. Doch im Dezember 2014 wurde Stiuso von der Regierung der damaligen Präsidentin Cristina Kirchner gefeuert – nach mehr als 40 Jahren im Geheimdienst. Eine der vielen Hypothesen nach Nismans rätselhaftem Tod war, dass der entlassene Agent seine Hände im Spiel gehabt haben könnte – um Kirchners Regierung aus Rache »einen Toten in die Schuhe zu schieben«. Im Februar 2015 machte Antonio Stiuso vor der Justiz eine kurze Aussage zu Nismans Tod – um sich dann für ein Jahr in die USA abzusetzen.

Doch nun ist Argentiniens bekanntester Spion wieder da und ließ sich mehr als 14 Stunden am Stück von der Ermittlungsrichterin Fabiana Palmaghini vernehmen. Nur einen Tag später verkündete Palmaghini, sie werde den Fall der argentinischen Bundesjustiz übergeben, sie sei nicht mehr zuständig. Ein Paukenschlag. Die Öffentlichkeit zeigte sich überrascht, die Klägerseite hingegen zufrieden. Denn die Angehörigen Alberto Nismans, an erster Stelle seine Ex-Frau in Vertretung der gemeinsamen Töchter, hatten schon seit Längerem gefordert, die Bundesjustiz müsse den Fall übernehmen, weil es sich um Mord handle – Mord an einem Staatsanwalt.

Und das versicherte nun auch Antonio Stiuso in dem Marathonverhör: Alberto Nisman sei wegen seiner Ermittlungen zum AMIA-Attentat umgebracht worden. Hinter Nismans Tod stecke »eine der Kirchner-Regierung nahestehende Gruppe«, erklärte Stiuso und deutete an, auch der Iran sei in den Mord verwickelt gewesen. Der frühere Geheimdienstmann gab außerdem zu Protokoll, Cristina Kirchner habe ihm und Nisman ausrichten lassen, sie sollten die iranische Fährte nicht weiterverfolgen – sie aber hätten sich nicht beirren lassen. »Nisman wurde ermordet, weil er immer weitergemacht hat«, sagte der Zeuge laut Anwesenden bei der Vernehmung.

Für Stiusos Anschuldigungen gibt es aber offenbar keine Beweise, das räumte selbst sein eigener Anwalt ein. Und Oscar Parrilli, Geheimdienstchef in der letzten Phase der Kirchner-Regierung, titulierte ihn als »Psychopath und Lügner«, der angeblich für den CIA und den Mossad arbeite.

Aber nicht nur Kirchner-Vertraute sehen Antonio Stiuso als wenig vertrauenswürdige Figur. Kommentatoren und Beobachter bewerteten seine Aussage mit Vorsicht. Als der Staatsanwalt Luis Moreno Ocampo, Ex-Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, in einer Talkshow äußerte, die Justiz müsse auch gegen Stiuso ermitteln, rief dieser zur allgemeinen Verblüffung in der Sendung an und attackierte in drohendem Ton seinen Kritiker.

Bundesjustiz Wie dem auch sei, nach dem Willen von Richterin Palmaghini soll nun die argentinische Bundesjustiz den Tod Nismans aufklären. Als Grund führte sie Stiusos Aussage an, aber auch die eines anderen Ex-Agenten, der Alberto Nisman gut kannte und die Möglichkeit eines Selbstmords ausgeschlossen hat.

Außerdem bestätigte Palmaghini, dass an jenem Sonntag, an dem der Staatsanwalt mit einer Kugel im Kopf in seiner Wohnung gefunden wurde, dort wohl Spuren verwischt wurden. Und dass es Manipulationen an Nismans Computer und Handy gab. Falls Argentiniens Justicia Federal den Fall tatsächlich übernimmt, wird die Mordthese wohl stark an Gewicht gewinnen. Ob die Bundesjustiz den Tod Alberto Nismans aber tatsächlich aufklären kann, steht noch in den Sternen.

Krieg in Israel

Rabbiner: Unterstützung für gestrandete Israelis in Europa

Sie können momentan nicht nach Israel zurück. Jüdische Gemeinden in Europa sind gebeten, sie mit Unterkünften und anderem zu unterstützen. In Gemeinden herrscht unterdessen große Besorgnis, auch wegen der Sicherheit

von Leticia Witte  16.06.2025

Nachruf

Der Lippenstiftverkäufer

Leonard Lauder, der aus dem von seinen Eltern gegründeten Kosmetikunternehmen Estée Lauder einen Weltkonzern machte, ist im Alter von 92 Jahren gestorben

von Michael Thaidigsmann  16.06.2025

USA

Farlir nur nit dein Hofenung

Wie ein schwarzer Kantor in den 1920ern New Yorks Juden verzauberte und sogar durch Europa tourte. Die unglaubliche Geschichte des Thomas LaRue, dessen Stimme erstmals wieder zu hören ist

von Nicole Dreyfus  15.06.2025

Nationaler Sicherheitsrat

Offizielle Warnungen für Israelis und Juden im Ausland

Wachsamkeit, Kooperation und Zurückhaltung. Der israelische Nationale Sicherheitsrat hat Warnhinweise für Israelis und Juden im Ausland veröffentlicht

 13.06.2025

Zürich

Israelhasser wollten Zürich zum Stillstand bringen

Am Donnerstagabend wollten »propalästinensische« Demonstranten durch die Zürcher Innenstadt ziehen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025 Aktualisiert

Bosnien und Herzegowina

Goldschmidt: Boykott von Rabbinertreffen ist »eine Schande«

Die Europäische Rabbinerkonferenz kann nicht in Sarajevo tagen. Grund ist der Boykottaufruf eines Ministers. Der CER-Präsident fordert nun Konsequenzen

von Michael Thaidigsmann  12.06.2025

New York

Weinstein in neuem Prozess wieder verurteilt

Der Schuldspruch gegen den ehemaligen Filmmogul im Jahr 2020 galt als Meilenstein – bis er 2024 überraschend kassiert wurde. Nun hat erneut eine Jury geurteilt, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

 12.06.2025

Belgien

Israelfeindliche Aktivisten stellen Hamas-Terror nach

Bei einem »Widerstandsfestival« in Brüssel wurde der Terror mit einem Theaterstück glorifiziert, es gab Hamas-Dreiecke; und Wassermelonen-Mandalas für Kinder

von Nils Kottmann  09.06.2025

Vatikan

Papst Leo würdigt rumänischen Kardinal und Retter Tausender Juden

Iuliu Hossu könnte ein »Gerechter unter den Völkern« werden

 09.06.2025