Interview

»Es ist Zeit für einen Wandel«

Tomer Orni Foto: Mike Minehan

Interview

»Es ist Zeit für einen Wandel«

Tomer Orni über Europa, jüdische Gemeinden und besondere Herausforderungen

von Detlef David Kauschke  26.10.2010 18:42 Uhr

Herr Orni, in dieser Woche waren rund 150 führende Vertreter jüdischer Gemeinden aus ganz Europa in Berlin. Was war der Anlass dieser vom European Council of Jewish Communities (ECJC) organisierten dreitägigen Konferenz?
Es ging bei diesem Treffen um nichts Geringeres als die Zukunft des europäischen Judentums. Wir stehen an einer Wegscheide: Europa hat sich gewandelt, das jüdische Leben hier ist ein anderes geworden, nur die jüdischen Organisationen machen mehr oder weniger so weiter wie bisher.

Haben nicht viele Einrichtungen – von Lauder bis Limmud – ihre Angebote verändert, vergrößert und damit dem Bedarf angepasst?
Es gibt ganz fantastische regionale Entwicklungen und überregionale Initiativen. Aber wenn man eine europäische Perspektive einnimmt, ändert sich das Bild: Dort ist das Angebot häufig seit Jahrzehnten fast gleich geblieben, vielfach ist es aus finanziellen Gründen sogar erheblich reduziert worden. Den Anforderungen der europäischen Juden, des europäischen Judentums wird nicht mehr entsprochen. Es ist Zeit für einen Wandel.

Wie soll der vollzogen werden?
Erst einmal müssen wir miteinander reden. Uns über Strukturen und Konzepte austauschen. Und bei dieser Konferenz sind so viele Führungspersönlichkeiten zusammengekommen, dass es nicht dabei bleiben kann, nur Fragen zu stellen. Wir brauchen auch Antworten.

Mit welchen Themen hat sich die Konferenz im Detail beschäftigt?
Es ging um Europas Verhältnis zu Israel, um die Zusammenarbeit amerikanischer und europäischer jüdischer Organisationen und die Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden in der ehemaligen Sowjetunion. Außerdem wurde die grundlegende Frage diskutiert, ob wir nicht eine übergeordnete europäische Organisation brauchen.

One people, one voice: Ist es nicht eine Utopie zu glauben, dass das europäische Judentum mit einer Stimme spricht?
Das würde in der Tat nicht zu unserer kulturellen und religiösen Vielfalt passen. Aber es muss in der Vielfalt möglich sein, eine Übereinkunft in bestimmten Fragen zu finden, wenn jüdische Interessen in ganz Europa betroffen sind.

Warum war gerade Berlin Konferenzort?
Zum einen wegen der historischen Bedeutung dieser Stadt. Zum anderen wegen der wichtigen Rolle Deutschlands in Europa. Berlin ist eine Ost-West-Drehscheibe, geografisch, politisch und symbolisch. Für uns vom ECJC endet Europa nicht in Ungarn oder Tschechien, es reicht von London bis Moskau. Daher war es so erfreulich, dass wir auch zahlreiche führende Vertreter jüdischer Gemeinden aus der ehemaligen Sowjetunion bei der Konferenz begrüßen konnten.

Mit dem Vizepräsidenten des ECJC sprach Detlef David Kauschke.

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025