Niederlande

Erinnern in der Schouwburg

Dem »Jüdischen Kulturellen Viertel« in Amsterdam stehen bedeutende Veränderungen bevor: Das frühere Theater »Hollandsche Schouwburg«, in der Zeit der deutschen Besatzung ein Deportationszentrum für niederländische Juden, wird zum Nationalen Schoa-Museum ausgebaut.

Das gab vergangene Woche das Jüdisch-Historische Museum (JHM) bekannt. Ziel ist es, »die gesamte Geschichte der Schoa von A bis Z« zu erzählen, sagte Direktor Joël Cahen. Dazu gehören das jüdische Leben vor der Besatzung, die Deportation und Ermordung von mehr als drei Viertel der niederländischen Juden sowie die Folgen, die sich bis heute auswirken.

Tram-haltestelle Nicht nur die Schouwburg soll Teil des Museums werden, sondern auch die gegenüberliegende frühere protestantische Schule, bekannt als »jüdische Crèche«, wo 1942 und 1943 jüdische Kinder getrennt von ihren Eltern auf die Deportation warten mussten. Zwischen beiden Gebäuden lag auch damals schon eine Straßenbahnhaltestelle.

Hielt die Tram dort an, verdeckte sie die Sicht von der Schouwburg auf den »Kindergarten«. In diesen Momenten gelang es, rund 600 Mädchen und Jungen aus dem Haus zu schmuggeln und zu verstecken. »Von der Schouwburg aus wurden 46.000 Juden deportiert. Dieser Ort steht für das Elend«, so Joël Cahen bei der Präsentation der Pläne. »Das Gebäude gegenüber steht für die Rettung.«

Just dort soll schon in diesem Jahr mit dem Umbau begonnen werden. Ein Teil des Erdgeschosses wird renoviert, um Raum zu schaffen für Ausstellungen, Kunst und Lesungen. »In dieser Phase sollen die vielseitigen Möglichkeiten des Schoa-Museums sichtbar werden«, so die Website des JHM, einer der Initiatoren. Dieser Teil des Museums soll bereits am 27. Januar nächsten Jahres eröffnet werden.

Sponsoren Gleichzeitig werden Sponsoren gesucht, denn für den vollständigen Ausbau des Schulgebäudes sind 21 Millionen Euro nötig. Die müssen bis 2018 aufgetrieben werden, dann soll mit dem Ausbau begonnen werden, der die bestehende Gedenkstätte in der Schouwburg erweitert. »Die Straßenbahnhaltestelle könnte als verbindendes Element eingesetzt werden«, heißt es in der Planung.

Vorbild der Initiative sind die Holocaust-Museen und Erinnerungsstätten, die in den vergangenen Jahrzehnten errichtet wurden – »überall auf der Welt, außer in den Niederlanden«, liest man auf der JHM-Website. Bürgermeister Eberhard van der Laan begrüßt diesen Schritt ausdrücklich. »Amsterdam hat zwei Seelen, wenn es um die Besatzung geht. Einerseits war die Stadt einzigartig mit dem Februarstreik verbunden (ein Solidaritätsstreik von Bewohnern gegen die Deportationen, Anm. d. Red.), andererseits war in wenigen Städten der Prozentsatz der Deportierten höher als hier.« Vor der deutschen Besatzung waren elf Prozent der Amsterdamer jüdisch. Bis heute hat sich der Name »Mokum« in ihrer Sprachkultur gehalten – auch bei Nichtjuden.

Traumata Mit dem Standort des Museums sind Wunden, Traumata und Erinnerungen verbunden, die bis heute fortwirken. Bei der Präsentation der Baupläne sagte der Amsterdamer Rabbiner Raphael Evers: »Heute war ich zum ersten Mal in meinem Leben im Kindergarten gegenüber der Hollandsche Schouwburg.

Oft hat unsere Mutter uns erzählt, wie sie über den Kindergarten aus der Schouwburg flüchten konnte, indem sie als Hilfsperson die Kinder begleitete. Sie blieb eine Nacht. Am nächsten Tag entkam sie, beschützt durch die vorbeifahrende Bahn.« Seine Mutter, die Kinderpsychologin und Autorin Bloeme Evers-Emden (88), ist in den Niederlanden eine der profiliertesten Experten zum Thema untergetauchter jüdischer Kinder.

Im niederländischen Kontext ist das Schoa-Museum auch eine deutliche Aussage in puncto Erinnerungskultur. Der nationale Gedenktag für die Opfer der deutschen Besatzung am 4. Mai wird zunehmend zu einer Mahnveranstaltung mit Bezug zu anderen Kriegen und ihren Opfern.

Der Schriftsteller Arnon Grunberg beklagt in der aktuellen Ausgabe des »Auschwitz Bulletin«, der Zeitschrift des Niederländischen Auschwitz-Komitees, dass dem Gedenktag der Bezug zur Schoa verloren gehe: »An dem Punkt, an dem das Gedenken sehr verwässert, finde ich den Nutzen zweifelhaft. Je allgemeiner es wird, desto weniger Bedeutung bekommt es.« Das geplante Museum ist eine Chance, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

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