Frankreich

Ein Pardon klingt anders

Ist zu Zugeständnissen bereit, um auf dem amerikanischen Markt mitzumischen: Frankreichs Eisenbahnkonzern SNCF Foto: JA

Dem im Pariser Gare de l’Est ankommenden Bahnreisenden rückt gleich in der Gleishalle ein marmornes, von Ehrenzweigen umkränztes Denkmal für jene Eisenbahner in den Blick, die »für Frankreich gestorben« sind. Wer weiter sucht, findet noch andere Gedenkplaketten, darunter eine eher unscheinbare, die an die mehr als 70.000 mit dem Zug deportierten Juden aus Frankreich erinnert.

Verrenkt Über die Verantwortung, die der französischen Staatsbahn SNCF für den Transport in die Todeslager zuzuschreiben ist, wird seit Langem gestritten. Das Unternehmen hatte ein Schuldeingeständnis bislang stets verweigert. Durch eine Erklärung hat der SNCF-Chef die Debatte von neuem angefacht. Guillaume Pépy beteuerte kürzlich in den USA vor Parlamentariern und jüdischen Vertretern seine »Trauer und sein Bedauern über die Konsequenzen der unter dem Zwang der Anordnung vollzogenen Deportationen« durch die Züge der SNCF.

Aber selbst zu dieser sprachlich verrenkten Aussage konnte es erst kommen, weil US-Abgeordnete gedroht hatten, die Bewerbung des französischen Konzerns um zwei milliardenschwere Bauprojekte in Florida und Kalifornien zu blockieren, falls sich SNCF nicht zu ihrer Verstrickung in den Holocaust bekennen sollte.

In der französischen Diskussion wurde der Skandal, dass sich Mitwirkende und Profiteure des Judenmords erst durch Androhung von Sanktionen zu einer Entschuldigung durchringen konnten, nur beiläufig erwähnt. In der Tat offenbart ja nicht nur der Blick auf das Zustandekommen der deutschen Zwangsarbeiterentschädigung, dass solcher Opportunismus eher Regel als Ausnahme ist. Doch fragen jetzt viele: Hat sich Pépy überhaupt entschuldigt? Die SNCF zumindest ließ verlauten, wer von den Besatzern gezwungen wurde, könne keine Verantwortung übernehmen. Diese Position habe das Unternehmen keineswegs revidiert, sondern in den USA nur über die Fakten aufgeklärt.

Entmystifizierung Der Konflikt rührt an ein immer noch ungeklärtes Dilemma des geschichtlichen Selbstverständnisses der Republik, das sich auch in der Proportionierung der Mahnmale im Gare de l’Est widerspiegelt. Wenngleich wohl erwiesen ist, dass die SNCF durch die Deportationen auch Geld einnahm, engagierten sich überdurchschnittlich viele Eisenbahner in der Résistance; rund 2.000 bezahlten dies mit dem Leben. Kaum verwunderlich, dass die Bahn bislang lieber auf diese Traditionslinie verwies. Eingedenk der erinnerungspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre ist aber wohl auch hier früher oder später eine Entmystifizierung zu erwarten.

Im konkreten Fall ist in Frankreich, wo immerhin drei Viertel der Juden dank der Hilfe der Bevölkerung überlebten, gleichwohl ein Unbehagen zu spüren: Bei einem Ausschluss der SNCF hieße der Gewinner womöglich Deutsche Bahn.

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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