Ukraine

»Ein neuer Exodus«

Rabbiner Yaakov Bleich Foto: Gregor Zielke

Rabbiner Bleich, wo werden Sie Pessach verbringen?
Ich werde zusammen mit meiner Familie in Budapest sein. Dorthin ist ein großer Teil der Mitglieder meiner Kiewer Gemeinde geflohen.

Wie werden die in der Ukraine verbliebenen Juden die Feiertage begehen?
Die Feiern werden sich allein schon wegen der Sperrstunden in etlichen Städten schwierig gestalten. Viele Juden werden daher nicht wie üblich in den Synagogen, sondern nur zu Hause feiern können. Davon abgesehen, laufen die Vorbereitungen für den Seder in vielen ukrainischen Gemeinden den Umständen entsprechend gut. Lebensmittel sind wahrscheinlich ausreichend vorhanden. Andererseits ist es wichtig, zu betonen, dass der Krieg im Osten des Landes weitergeht. In Orten wie Charkiw oder Odessa erleben die Menschen gerade schwere Zeiten. Dort landen immer noch Bomben und fliegen immer noch Kugeln. Ich bete für meine Brüder, dass sie ein ruhiges und glückliches Pessachfest haben werden.

Welche aktuellen Bezüge sehen Sie zur Geschichte der Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft?
Die Geschichte von Pessach handelt von Juden, die aus der Sklaverei in die Freiheit gehen und ein Volk, eine Nation werden. Hier finden sie ihre Identität als auserwähltes Volk, als Gottes Volk und das Volk der Tora. Das bringt uns auch heute noch zu der Erkenntnis, dass die einzig wahre Heimat aller Juden Israel ist. Aktuell gibt es einen neuen Exodus der Juden, dieses Mal aus der Ukraine. Nur zu diesem Zeitpunkt ziehen die meisten von ihnen noch nicht nach Israel, auch wenn ich das befürworten würde. Die Parallelen haben aber auch Grenzen, so würde ich zum Beispiel die Russen nicht als die neuen Ägypter bezeichnen. Ich bezweifle, dass sie alle den mörderischen Krieg Putins unterstützen.

Welche Botschaft steckt für die ukrainischen Juden in der Pessach-Geschichte?
Die Geschichte des Auszugs aus Ägypten kann den ukrainischen Juden Hoffnung geben. Sie zeigt uns, dass nach der Beschwernis und der Sklaverei die Freiheit und ein neues Leben kommen. Aber man muss eines klar sehen: Auf die ukrainischen Juden kommt noch große Not zu. Vom Maror, dem Bitterkraut, wird es für sie dieses Pessachfest leider besonders viel geben.

Sehen Sie eine Zukunft für das jüdische Leben in der Ukraine?
Sicher werden von den geschätzt 200.000 Juden des Landes auch zukünftig einige in der Ukraine leben. Aktuell würden viele der Geflohenen gerne wieder zurückkehren. In der Ukraine haben sie ihre Wohnung, ihre Familie, ihr ganzes Leben. Sie sind mit nichts anderem als der Kleidung, die sie tragen, geflohen. Aber wie genau das jüdische Leben dort in Zukunft aussehen wird, ist schwer zu sagen. Das hängt entscheidend davon ab, wie lange der Krieg dauert.

Mit dem Oberrabbiner der Ukraine und Rabbiner der Großen Choral-Synagoge in Kiew sprach Joshua Schultheis.

Baku/Malmö

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