Albanien

Ein Museum für die Helfer

Blick auf die Hauptstadt Tirana Foto: picture alliance / Westend61

Während eines Besuchs in Israel verkündete kürzlich der albanische Ministerpräsident Edi Rama, dass sein Land die Eröffnung eines neuen Museums in der Hauptstadt Tirana plane. Im Zentrum solle die Geschichte der Rettung jüdischer Flüchtlinge durch das albanische Volk während der Schoa stehen. Zugleich sollen jüdische Geschichte, Kunst, Literatur und die Verbindungen zu lokalen Traditionen präsentiert werden.

Zentral gelegen in einem architektonisch beeindruckenden Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, dem Toptan-Haus, wird das Museum, das Ende des Jahres eröffnet werden soll, den Namen »BESA« tragen. Unterstützt wird das Projekt vom albanischen Staat und Sponsoren wie dem israelischen Geschäftsmann Alexander Mashkevitch.

Ehrenkodex Das Wort »BESA« steht für einen traditionellen Ehrenkodex und bedeutet so viel wie »ein Versprechen halten«, eine Verpflichtung, sich menschlich zu zeigen in Zeiten der Not. Dieser Codex wurde während der Schoa von vielen albanischen Familien erfüllt. Tausende jüdische Geflüchtete aus Deutschland, Österreich, Griechenland und Serbien fanden Unterschlupf in dem südosteuropäischen Land.

Als 1943 die Nazis Albanien besetzten, nahm die Unterstützung noch zu. Es wurden Verstecke organisiert, falsche Pässe ausgestellt, Fluchtmöglichkeiten in unzugänglichere Gebiete des Landes bereitgestellt. Die albanische Bevölkerung – damals waren mehr als 70 Prozent der Einwohner Muslime – weigerte sich zudem, den faschistischen Besatzern die geforderten Listen mit den Namen jüdischer Landsleute auszuhändigen.

Der amerikanische Botschafter Herman Bernstein schrieb 1934 voller Bewunderung: »Es gibt keine Spur von Judendiskriminierung in Albanien, denn Albanien ist heute eines der seltenen Länder in Europa, in denen es weder religiöse Vorurteile noch Hass gibt, obwohl die Albaner selbst sich aus drei verschiedenen Glaubensgruppen zusammensetzen.«

Bis auf wenige Ausnahmen konnten fast alle Schutzsuchenden durch die Zeit der Verfolgung gerettet werden. Albanien gehörte zu den wenigen Ländern, die nach Ende des Krieges mehr jüdische Einwohner hatten als zuvor. Der Respekt zwischen Muslimen, Christen und Juden, der tief in der Kultur des Landes verankert ist, hatte sich als tragfähig erwiesen.

Yad Vashem Bis heute erinnern in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zahlreiche Geschichten an die mutigen albanischen Retter und Retterinnen. Sie werden nun auch eine zentrale Rolle in dem neuen Museum in Tirana spielen.

Das Museum, sagt Albaniens Kulturministerin Elva Margariti, solle als »Brücke für die Kommunikation zwischen den Generationen« dienen. Ein Brückenschlag, der aufgrund der Verbindungen der Fluchtgeschichten nach Deutschland, Österreich und in andere Länder eine starke europäische Dimension aufweist.

In Deutschland ist von der außergewöhnlichen Geschichte Albaniens bislang wenig bekannt. Die mediale Berichterstattung über Albanien ist häufig von Themen wie Kriminalität, Drogenhandel oder wirtschaftlichen Defiziten geprägt. Das geplante Museum bietet vielfältige Anknüpfungspunkte für einen anderen Blick auf Albanien und auf eine andere europäische Erinnerungskultur.

einflussnahme Bis heute ist Albanien überwiegend muslimisch geprägt. Der albanische Islam ist dafür bekannt, liberal und wenig orthodox zu sein. Daran konnten in den vergangenen Jahren auch massive Einflussnahmen aus Saudi-Arabien nicht grundsätzlich etwas ändern.

Der albanische Widerstand gegen die Judenverfolgung und den Antisemitismus, wie ihn das Museum vorstellen will, ist auch ein Beispiel für die europäischen Dimensionen einer zeitgemäßen Erinnerungskultur. Jüdische, muslimische und christliche Perspektiven sollen in dem Ausstellungskonzept Platz haben.

»Die Rettung der Juden im Zweiten Weltkrieg ist eine der schönsten Seiten in der Geschichte der Albaner. Christen und Muslime opferten alles, um sie zu schützen«, sagte die albanische Kulturministerin, als sie das Museum ankündigte. Aus Deutschland liegen bislang noch keine Informationen vor, ob es Pläne gibt, sich an dem Museum »BESA« finanziell zu beteiligen.

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Damaskus

Syriens Regierung erteilt erster jüdischer Organisation Lizenz

Mit Rabbiner Henry Hamras Stiftung »Jüdisches Erbe in Syrien« wird erstmals seit dem Ende der Assad-Dikatur wieder eine jüdische Organisation in dem arabischen Land aktiv sein

 11.12.2025

Museum

Auschwitz-Gedenkstätte zeigt neue Ausstellung

Mit einer neuen Ausstellung will die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau das Schicksal der Häftlinge des Konzentrationslagers zeigen

von Christiane Laudage  11.12.2025

USA

An der Columbia University war Theodor Herzl Antisemit

Ein Abschlussbericht zum Antisemitismus an der New Yorker Elite-Universität zeigt, wie tief die Israel- und Judenfeindlichkeit im Lehrplan verankert war

 11.12.2025

USA

Wer hat Angst vor Bari Weiss?

Sie gilt als eine der einflussreichsten konservativen Medienmacherinnen des Landes. Aber was will die neue Chefin von CBS News eigentlich?

von Sarah Thalia Pines  11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Nachruf

Gebäude wie Jazzmusik

Frank Gehry hat die Architektur tanzen lassen – was auch mit seinem Judentum zu tun hatte

von Johannes Sadek, Christina Horsten  10.12.2025

Hollywood

»Stranger Things« trotzt Boykottaufrufen

Während Fans den Start der letzten Staffel des Netflix-Hits feiern, rufen Anti-Israel-Aktivisten zur Ächtung der Serie auf

von Sophie Albers Ben Chamo  10.12.2025

Toronto

20 Mesuot aus Seniorenheim gestohlen

Die Polizei geht von einem Hassverbrechen aus

 09.12.2025