Luxemburg

Die Helfer der Schoa

Autor Mil Lorang Foto: privat

Luxemburg

Die Helfer der Schoa

Ein Buch legt neue Dokumente und aktualisierte Deportationslisten aus dem Großherzogtum vor

von Jochen Zenthöfer  23.04.2020 10:46 Uhr

Seit einigen Jahren verändert sich der Diskurs über die Schoa im dreisprachigen Luxemburg, das sich lange Zeit nur als Opfer deutscher Aggressionen und Zwangsrekrutierungen definierte.

Nachdem junge Historiker die Beteiligung von Luxemburgern am Holocaust nachweisen konnten und sich die Regierung bei den Juden offiziell entschuldigt hat, muss das Land nun einen nächsten Schritt gehen und die neuen Erkenntnisse vor allem in den Schulen vermitteln.

Öffentlichkeit Dafür eignet sich hervorragend ein neues Buch, das unter dem Titel Luxemburg im Schatten der Shoah von dem Publizisten Mil Lorang erarbeitet und von der Organisation »MemoShoah Luxembourg« herausgegeben wurde. »In diesem Buch werden Geschehnisse behandelt und dokumentiert, von denen die breite Öffentlichkeit kaum etwas weiß«, heißt es darin zutreffend.

Denn Lorang erklärt in verständlicher Sprache, passend bebildert und mit historischen Zeitungsartikeln, was vor und nach dem Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 geschah. Von den bei Kriegsbeginn fast 4000 jüdischen Einwohnern Luxemburgs lebten bei Kriegsende noch etwa 60 in sogenannten Mischehen, und nur zwei Personen wurden versteckt.

Doch schon vorher gab es Antisemitismus in Luxemburg. Juden machten bei einer Volkszählung Mitte der 30er-Jahre nur 1,05 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Trotzdem gerieten sie immer wieder ins Visier militanter Nationalisten und Nazi-Sympathisanten.

Flugblätter Lorang zeigt, dass in der Hauptstadt Luxemburg mehrmals Flugblätter aus fahrenden Autos geworfen wurden, auf denen zu lesen war: »Luxemburger Katholik! Der größte Feind deiner Religion ist der Jude! Der jüdische (sogenannte russische) Kommunismus – 80 Prozent aller kommunistischen Führer sind Juden – hat in Russland die Kirche ausgerottet und 2000 Priester gemordet. Bekämpfe diese feige Mordrasse mit dem Mittel, das du in der Hand hast. Kaufe nicht beim Juden.«

Die Juden wurden als Parasiten bezeichnet und aufgefordert, nach Palästina zu gehen. Im Jahr 1938 wurde sogar nach dem Schutz Deutschlands gerufen.

Die Juden wurden als Parasiten bezeichnet und aufgefordert, nach Palästina zu gehen. Im Jahr 1938 wurde sogar nach dem Schutz Deutschlands gerufen.

Die Luxemburger Behörden scheuten auch nicht davor zurück, »illegale« jüdische Flüchtlinge und sogar Flüchtlinge mit gültigen Papieren zur deutschen Grenze zurückzubringen, obwohl bekannt war, dass sie dort verhaftet und in Konzentrationslager gebracht würden.

Deportationen Der wichtigste Inhalt des Buches sind sicherlich die Namenslisten der Deportierten. Am 16. Oktober 1941 begannen die Deportationen. Die ersten 323 Juden mussten sich am Hauptbahnhof einfinden. Die sieben Transporte gingen von Luxemburg vor allem nach Lodz und Theresienstadt.

Lorang hat die bereits früher bekannten Listen nach neuestem Wissensstand aktualisiert und führt jeweils Name, Vorname, Alter und den letzten Wohnort der Deportierten auf.

Auch von Luxemburg aus wurden Kinder in den Tod geschickt, wie die 17 Jahre alte Gitla Cukier, deren Leidensweg exemplarisch beschrieben wird. Ihr letztes Lebenszeichen stammt vom 13. Oktober 1944 aus Auschwitz. Von Gitlas fünf jüdischen Schulkameradinnen im Mädchenlyzeum hat keine die Schoa überlebt.

Freiwilligenkompanie Lorang berichtet zudem über die seit 1881 bis zur deutschen Invasion bestehende sogenannte Freiwilligenkompanie, eine kleine 425-köpfige Luxemburger Armee, die im Herbst 1940 von den Nazi-Okkupanten in die deutsche Schutzpolizei eingegliedert wurde. Nach einer sechsmonatigen Ausbildung in Weimar wurden die Luxemburger verschiedenen deutschen Polizeibataillonen zugeteilt.

Von ihnen kamen 14 mit dem berüchtigten »Reserve-Polizeibataillon 101« Ende Juni 1942 nach Polen und waren an Massakern beteiligt. Dem amerikanischen Historiker Christopher Browning zufolge war das Bataillon direkt oder indirekt an der Ermordung von mindestens 83.000 Juden beteiligt.

Mil Lorang: »Luxemburg im Schatten der Shoah«. Hrsg. von MemoShoah Luxembourg. Éditions Phi, Soleuvre 2019, 200 S., 22 €

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025