Zürich

Die gute Seele der Gemeinde

Fing 2012 in der Gemeinde an: Michel Alassani Foto: Alain Picard

Wenn Michel Alassani nicht gerade damit beschäftigt ist, etwas zu reparieren oder die Technik instand zu setzen, dann baut er vielleicht Tische für ein Bankett auf – oder er betet. »Nur kurz, dafür aber fünfmal am Tag«, sagt der Mann mit der markanten Brille zufrieden. Es ist vielleicht nicht selbstverständlich, aber für den Hausmeister der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) ist es das Normalste der Welt. Alassani ist gläubiger Muslim und arbeitet seit 2012 in der größten jüdischen Gemeinde der Stadt. Davor war er bei einem koscheren Caterer tätig.

Heute gehört er zum dreiköpfigen Hausmeisterteam, das sich nicht nur wochentags um das gesamte Gebäude der ICZ kümmert, sondern auch am Wochenende im Einsatz ist. »Außer am Freitag. Dann habe ich sozusagen meinen Schabbat«, sagt Alassani mit einem Lächeln im Gesicht. Dieser Ausdruck zeichnet den 58-Jährigen aus. Er ist so etwas wie die gute Seele der ICZ, die Leute in der Gemeinde kennen und schätzen ihn. Wie es ihm beim Fasten an Ramadan ergehe, werde er oft gefragt. Immer für einen kurzen Schwatz bereit, betreut er mit seinen beiden Kollegen die Liegenschaft in Zürich-Enge. »Ich freue mich immer, wenn der Maschgiach im Haus ist und seinen Rundgang in der Küche macht. Dann wird viel gelacht«, erzählt Alassani.

Offen füreinander sein

Dies sei für ihn auch immer der Moment, in dem er sich denke, dass die nichtjüdische Welt, und damit auch die muslimische, zu wenige Berührungspunkte mit der orthodoxen Welt hat. »Ob Juden, Christen oder Muslime, wir sollten alle offen füreinander sein und miteinander reden können.«

Doch auch Alassani fühlt die wachsende Sorge innerhalb der jüdischen Gemeinde seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 und dessen Folgen weltweit. »Die Anspannung nehme ich wahr.« Das sagt jemand, der fast sein halbes Leben in einem jüdischen Umfeld tätig ist. »Dabei wusste ich anfangs, als ich nach Europa kam, nichts über das Judentum.«

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Michel Alassani war 24 Jahre alt, als er Togo verließ. Die ersten Jahre verbrachte er in Deutschland, 1998 zog er in die Schweiz. »Als ich auf dem Arbeitsamt war, haben die dort gesagt, es gebe eine Stelle für mich. Aber die sei in der jüdischen Gemeinde.« Alassani muss lachen, wenn er sich daran erinnert. »Die dachten doch ernsthaft, ich hätte ein Problem damit. Aber warum sollte ich? Ich hatte doch nie Kontakt zu Juden. Bei uns zu Hause gibt es keine jüdische Gemeinde.«

Israel sehen

Heute lebt der Hausmeister mit seiner Familie in Zürich-Wollishofen. »Wann immer ich kann, verbringe ich den Urlaub in unserem Haus in Togo. Mittlerweile wohnt unser ältester Sohn dort«, sagt Alassani. Auch deshalb reist er jedes Jahr für ein paar Wochen in die alte Heimat.

Aber eines Tages wolle er auch Israel besuchen, fügt er hinzu. »Es kann doch nicht sein, dass ich fast Tag und Nacht in einer jüdischen Gemeinde verbringe, aber noch nie in Israel war.« Nicht zuletzt wolle er als Muslim auch in Jerusalem beten. Wann der Zeitpunkt dafür kommt, weiß Alassani noch nicht. Diesen Sommer fliegt er erst einmal nach Togo. Doch zu den Hohen Feiertagen wird er wieder zurück sein in Zürich. Wenn an Rosch Haschana der Gottesdienst stattfindet, trifft man auch ihn im Gemeindezentrum. Fein angezogen wie die Gemeindemitglieder an ihrem »Jomtov«. »Das gefällt mir«, sagt Alassani, »hier bin ich glücklich.« Dafür sei er der jüdischen Gemeinde sehr dankbar.

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