Judith Leiber

Die große Dame der kleinen Taschen

Beide starben innerhalb weniger Stunden an Herzversagen: Judith Leiber mit ihrem Mann Gerson Foto: Getty Images

Judith Leiber

Die große Dame der kleinen Taschen

Zum Tod der New Yorker Designerin

von Daniel Killy  07.05.2018 12:21 Uhr

Sie war die Meisterin der kleinen (Handtaschen-)Form – Minaudière genannt. Ihre hochpreisigen, mosaikartigen Miniaturen waren sowohl Sammler- als auch Kunstobjekte. Jetzt ist die Designerin Judith Leiber im Alter von 97 Jahren gestorben – nur Stunden, nachdem ihr Mann Gerson, mit dem sie 72 Jahre verheiratet war, einem Herzinfarkt erlegen war.

Geboren wurde sie in Budapest als Judith Marianne Peto – am 11. Januar 1921. Ihre Eltern Emil und Helen Peto wünschten sich eigentlich, dass ihre Tochter Chemikerin würde, um dem Erfolg eines Verwandten nachzueifern, der mit einer Tönungscreme reich geworden war. 1938 wurde sie nach England geschickt, um ih­ren Studien nachzugehen, doch der Zweite Weltkrieg kam dazwischen, und der Traum von einem Kosmetikimperium löste sich in Luft auf. »Hitler hat mich ins Handtaschengeschäft gebracht«, zitiert die New York Times Judith Leiber.

Nach Budapest zurückgekehrt, wurde Leiber 1939 Mitglied einer Handwerker­innung, die zu diesem Zeitpunkt noch Juden aufnahm – trotz des stetig wachsenden Faschismus in Ungarn.

Doch auch abgesehen von der existenziellen politischen Bedrohung war ihre Lehrzeit kein Zuckerschlecken. Am Anfang standen Bodenwischen und Leimkochen. Doch Judith lernte schnell und beherrschte bald alles, was mit der Herstellung von Handtaschen zusammenhing, aus dem Effeff.

Schoa Um sie herum tobte mittlerweile der Krieg. Doch weil Judith und ihre Familie Uniformen nähten und damit als »kriegswichtig« galten, entgingen sie der Vernichtung. Allerdings nur knapp. Die letzten Wochen des Krieges verbrachte Judith in einem Keller, eingepfercht mit weiteren 60 Menschen.

Zu Hause, nach der Arbeit, galt ihre Leidenschaft aber weiterhin den Handtaschen. Sie nutzte alle Materialien, die sie finden konnte, und verkaufte nach dem Krieg einige Taschen an amerikanische Soldaten. Einer von ihnen wurde ihr künftiger Mann, der als Funker den Kontakt zwischen Wien und Budapest aufrechterhielt. 1946 heirateten die beiden und siedelten 1947 in Gerson Leibers Heimatstadt New York über.

Schnell etablierte sich Judith Leiber in ihrer neuen Heimat und arbeitete für verschiedene Handtaschenproduzenten – bis sie sich 1963 auf Initiative ihres Mannes selbstständig machte. »Ich wusste von Anfang an, was ich machen würde«, so Judith Leiber, »nämlich das Beste.«

Schon bald entwuchsen Leibers Designs den Handtaschenabteilungen und wurden in eigenen Abteilungen verkauft. Die häufig mosaikartigen Kleinodien, mal in konventioneller Kästchenform, mal in Tiergestalt oder gar als Tutenchamun-Maske eines Affenkopfes, gern auch inspiriert von Malern wie Mondrian oder Kunstwerken ihres Mannes Gerson, räumten weltweit alle erdenklichen Mode- und Designpreise ab – und schafften den Sprung in die Museen.

Hautevolee Die kleinen Kunstobjekte waren und sind bis heute begehrte Accessoires in den Händen der Hautevolee. Von Greta Garbo über Joan Sutherland, Queen Elizabeth, Raissa Gorbatschowa, Barbara Bush, Nancy Reagan bis zu Hillary Clinton, die eine Tasche in Gestalt ihrer Katze Socks besaß: Wer etwas auf sich hielt, trug Leiber.

Die Taschen machten ihre Schöpferin berühmt und reich. Und nicht nur sie. Gern erzählte Judith Leiber eine Anekdote, die sich, wie sie stets betonte, so zugetragen habe: Ein Ehemann hatte seiner Frau über sieben Jahre 14 Leiber-Taschen geschenkt. Nun stand die Scheidung an, und er wollte die Taschen als Teil der Scheidungsvereinbarung zurückhaben. »Ich könnte mich mit der Sammlung zur Ruhe setzen«, kolportierte sie ihn, um dann vergnügt hinterherzuschieben: »Die Frau behielt die Taschen.«

Über beinahe ein Dreivierteljahrhundert lang lebte das Künstlerehepaar ebenso symbiotisch zusammen, wie es zusammenarbeitete – bis zu seinem seligen Ende. Am Freitag, dem 27. April, so Leibers Sprecher Jeffrey Sussman, habe Gerson, den alle nur Gus nannten, unvermittelt zu seiner Frau gesagt: »Liebling, es ist Zeit für uns beide zu gehen.« Wenige Stunden später starb er. Nur ein paar Stunden später folgte sie ihrer Lebensliebe. Auch Judith Leiber starb an Herzversagen.

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025