Frankreich

»Die Geschichte kennt kein Ausruhen«

Nazijäger Beate und Serge Klarsfeld Foto: dpa

Schon vor Jahren wurden sie in die französische Ehrenlegion aufgenommen; seit 2015 sind sie Träger des Bundesverdienstkreuzes. Am Mittwochabend nun erhalten Serge und Beate Klarsfeld in Paris eine weitere Auszeichnung: den Großen Deutsch-Französischen Medienpreis 2019. Alljährlich werden damit Persönlichkeiten oder Organisationen geehrt, die sich in besonderer Weise um die deutsch-französische und europäische Verständigung verdient gemacht haben.

Das deutsch-französische Ehepaar sei seit Jahrzehnten »Vorbild für den Kampf gegen das Vergessen, für Menschlichkeit und gegen einen Nationalismus, der die Ausgrenzung und die Stigmatisierung von Andersgläubigen und Andersdenkenden im Schilde führt«, sagte der Vorsitzende des Deutsch-Französischen Journalistenpreises (DFJP) und Intendant des Saarländischen Rundfunks, Thomas Kleist, im Vorfeld.

Buchstäblich mit einem Schlag wurde Beate Klarsfeld im Jahr 1968 berühmt.

Doch was heute als preiswürdig gilt, sorgte seinerzeit oft für Empörung. Seine Eltern, schreibt Sohn Arno im Vorwort zu deren gemeinsamen Memoiren, hätten nicht selten vor allen anderen Recht gehabt. Sie hätten Finger in Wunden gelegt, die von anderen ignoriert wurden – und ihren Weg mit Beharrlichkeit verfolgt, egal welche Steine ihnen vor die Füße gelegt wurden.

MEMOIREN Alles begann 1960 mit einem Au-pair-Aufenthalt der damals 21-jährigen Beate in Paris. Politik und Geschichte, sagt sie, waren ihr damals noch fremd – bis sie Serge Klarsfeld kennenlernte, einen jungen Politologen und späteren Anwalt, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde. NS-Zeit und Judenverfolgung wurden zum Lebensthema des Paares, das seit 1963 verheiratet ist.

Abgesehen hatten sie es dabei zunächst auf NS-Verantwortliche, die nach dem Krieg unbehelligt geblieben waren. Um die Täter vor Gericht zu bekommen, war dem Ehepaar jedes Mittel Recht – bis hin zu illegalen Entführungen.

Besonders spektakulär: die Causa Kurt Kiesinger. 1966 wurde der CDU-Politiker zum Bundeskanzler gewählt – obwohl er im Zweiten Weltkrieg in leitender Funktion im Reichsaußenministerium tätig gewesen war. Das wollten die Klarsfelds nicht hinnehmen. Mit mehreren öffentlichen Aktionen machte Beate auf Kiesingers NS-Vergangenheit aufmerksam, gipfelnd in einer Aufsehen erregenden Ohrfeige, die sie dem Kanzler auf dem CDU-Parteitag 1968 verabreichte.

»Ein friedliches Pensionistendasein«, schreibt Beate Klarsfeld im Nachwort ihrer Memoiren, komme für sie nicht in Frage.

Weiter ging es mit Kurt Lischka, der als Gestapo-Mann in Paris mitverantwortlich für die Deportation von mindestens 73.000 Juden war. Trotz Verurteilung vor einem französischen Militärgericht – in Abwesenheit– lebte er unbehelligt in Köln, wo ihn die Klarsfelds 1971 aufspürten und zu entführen versuchten.

MYTHOS Die Aktion misslang, doch der Fall Lischka war in der Öffentlichkeit. 1979 wurde ihm der Prozess gemacht. Klaus Barbie, der »Schlächter von Lyon«, wurde ebenfalls von den Klarsfelds enttarnt, diesmal in Bolivien. Auch hier misslang die Entführung. Barbie landete dennoch 1987 in Frankreich vor Gericht.

Schon früh stellten die Klarsfelds auch den Mythos vom Resistance-Land Frankreich in Frage und verwiesen auf zahlreiche Kollaborateure, ohne die die Judenverfolgung im deutsch besetzten Frankreich niemals hätte durchgeführt werden können. Auch aus dieser Tätergruppe landeten etliche Vertreter vor Gericht, darunter René Bousquet, ab 1942 Generalsekretär der französischen Polizei in Paris, sowie Maurice Papon, der als hoher Verwaltungsbeamter in Bordeaux an Deportationen beteiligt gewesen war.

Längst beschränkt sich das Engagement der Klarsfelds nicht mehr auf die Enttarnung von NS-Verbrechern. Lange bevor Gedenkstätten dieses Konzept verfolgten, bemühten sie sich, den Opfern ein Gesicht zu geben. Eine Ausstellung über aus Paris deportierte jüdische Kinder in verschiedenen französischen Bahnhöfen war hier ein erster Schritt.

Trotz ihres Alters von 80 und 83 Jahren engagieren sich die Klarsfelds bis heute gegen Rassismus und Antisemitismus. »Ein friedliches Pensionistendasein«, schreibt Beate Klarsfeld im Nachwort ihrer Memoiren, komme für sie nicht in Frage: »So lange wir leben und als Paar zusammenstehen, müssen wir aktiv bleiben. Die Geschichte kennt kein Ausruhen.«

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025