Schweiz

Die älteste Eidgenössin ist tot

Kaum ein Monat trennte sie von ihrem 113. Geburtstag. Aber nun ist Rosa Rein am vergangenen Sonntagnachmittag in einem Altersheim in Lugano gestorben. Sie galt als die älteste Frau der Schweiz, und vermutlich war sie eine der ältesten Menschen auf der ganzen Welt. Fast bis zuletzt hatte sich Rosa Rein guter Gesundheit erfreut. Nur ihre Augen und vor allem das Gehör funktionierten in den letzten Jahren nicht mehr so, wie sie sich das vorstellte. Doch der Sinn für Humor blieb ihr erhalten: So sagte sie noch vor wenigen Monaten zu Besuchern, an ihr würden die Ärzte nicht reich.

Als Rosa Karliner wird sie 1897 in eine orthodoxe Kaufmannsfamilie in Myslowitz in Oberschlesien geboren. Die Familie ist weltläufig, die junge Rosa – oder Rachel, wie sie auch genannt wurde – spricht mit ihrer Mutter Französisch und reist schon als junge Frau nach Italien. »Ich schrieb meinem Vater aus jeder Stadt, wo wir Station machten, ausführliche Reiseberichte nach Hause.«

wunderrabbiner Nicht die Söhne, die an einer Jeschiwa lernen, sondern Rosa, seine Tochter, nimmt der Vater mit, wenn er einen der zahlreichen Wunderrabbis besucht. Als eine der ersten Frauen der Gegend darf Rosa Rein die Universität besuchen, in Berlin. Dorthin fährt die Familie gelegentlich, um ins Theater oder in die Oper zu gehen.

Oberschlesien dem neuen polnischen Staat zuschlagen, zieht die Familie nach Berlin. Wer Deutsch spricht, ist in der Gegend nicht mehr gern gelitten. Und dem Deutschen, nicht zuletzt der deutschen Sprache, fühlen sich die Karliners viel näher als der polnischen Kultur. In der deutschen Hauptstadt lernt Rosa ihren ersten Mann kennen und führt mit ihm ein Textilgeschäft.

Doch die Anhänglichkeit an Deutschland macht sich für die Familie nicht bezahlt: Rosas Eltern überleben die Nazi-Zeit nicht. Sie selbst wandert nach der Reichspogromnacht 1938 nach Brasilien aus. Ihr Mann war zuvor noch in Deutschland gestorben. In Südamerika, wo sie zeitweise in großer Armut leben muss, lernt sie ihren zweiten Mann kennen, den sie 1949 heiratet. Mit ihm betreibt sie – wie sie es später liebevoll nannte – eine »Schuhbesohlungsanstalt«.

gen europa Als er 1964 erkrankt, beschließt das Ehepaar, sich im Tessin, das sie von mehreren Urlaubsaufenthalten kennen, niederzulassen. Vor allem das milde mediterrane Klima der Südschweiz gibt den Ausschlag dafür, nach Europa zurückzukehren.

1973 stirbt Rosa Reins zweiter Ehemann. Danach lebt sie viele Jahre allein. Als sie mit 104 Jahren stürzt, verlässt sie ihre eigene Wohnung und zieht ins Altenheim. Vieles nimmt sie dorthin mit: Fotos, Bilder, Kultgegenstände. Vor allem aber Erinnerungen. Im Altenheim empfängt sie ab ihrem 105. Geburtstag jeweils am 24. März zahlreiche Journalisten, die sich um sie versammeln, um die älteste Frau des Landes nach ihrem Befinden zu fragen.

Aus ihrer zunehmenden Bekanntheit, die sie sogar auf die Liste der 100 berühmtesten lebenden Schweizerinnen und Schweizer führte, machte sie sich nichts. Viel lieber wäre sie auch im hohen Alter noch gereist, zum Beispiel nach London oder Paris, nicht zuletzt »weil es dort so ein aktives und spannendes jüdisches Leben gibt«, wie sie oft sagte. Oder auch nach Israel, wo sie zwar Verwandte hatte, wohin sie es aber trotz aller Bemühungen nie schaffte. Allerdings zierte ein großes Jerusalembild ihr Zimmer im Altersheim. Als Ersatz für all die verpassten Reisen ließ sie sich von ihren zahlreichen Besuchern deren Reisen rund um die Welt schildern.

So wird man Rosa Reis in Erinnerung behalten: als freundliche, interessierte alte Dame, die Spannendes ebenso wie Anekdotisches zu erzählen wusste, die aber auch bereit war zuzuhören, sich auf ihr Gegenüber einzulassen und sogar Fragen stellte.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025