Südafrika

»Der Holocaust war nicht nur schlecht«

»Für alle, die denken, das Erbe des Holocaust sei nur schlecht, denkt doch mal an die Lampenschirme und jüdische Seife«, schrieb der linksradikale Aktivist Andile Mngxitama Ende August im Kurznachrichtendienst Twitter. Noch am selben Tag legte der Antizionist nach: »Der Geruch brennenden Fleischs aus den Holocaust-Öfen könnte den Appetit südafrikanischer Kannibalen anregen.«

In der jüdischen Gemeinde Südafrikas sorgten die Tweets für Schock und Zorn. Innerhalb weniger Stunden verurteilte das Jewish Board of Deputies (SAJBD) die »höchst beleidigende, erniedrigende und schmerzvolle« Aussage. Mngxitama jedoch zeigte sich unbeeindruckt und beschwichtigte: Der Holocaust sei doch nur eine »unbedeutende Fußnote in der Geschichte menschlichen Leids« gewesen.

verständnis Entsetzt reagierte auch Richard Freedman, Direktor der Südafrikanischen Holocaust- und Genozidgesellschaft. »Die Aussage deutet nicht nur auf ein falsches Verständnis der Geschichte des Holocausts hin. Sie beweist darüber hinaus auf beängstigende Weise, dass hier Mitgefühl für menschliches Leid fehlt.«

Auch der Kapstädter Lehrer Craig Nudelmann ist »tief beleidigt und verletzt« von der Relativierung des Holocaust. »Die Schoa ist ein so traumatischer Augenblick in der jüdischen Geschichte. Sie in diesem Zusammenhang zu nennen, ist verstörend.«

Mary Kluk, Leiterin des Holocaust-Zentrums in Durban, findet die Aussage »umso abscheulicher«, da sie von einer Person des öffentlichen Lebens stamme. Mngxitama, ein früherer Politiker, gründete nach dem Verlust seines Parlamentssitzes 2015 die Bewegung »Black First Land First«. Seine radikalen Unterstützer machten zuletzt durch Drohungen und Gewaltakte gegen Journalisten auf sich aufmerksam. Vertreter des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) forderten die Festnahme des Populisten.

Rassismus Tatsächlich hatte Mngxitama mit dem Holocaust-Tweet eine Botschaft zu »einseitigem Rassismus« senden wollen. Zumindest sein erster Twitter-Beitrag spielte auf eine Aussage der Regionalpolitikerin Helen Zille an. Die frühere Chefin der Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA), die jüdische Vorfahren hat, hatte im März erklärt: »Für alle, die denken, das Erbe des Kolonialismus sei nur schlecht – denkt doch nur an unsere unabhängige Justiz, Straßen, Fließwasser etc.«

Für ihre Aussage erntete Zille den Zorn von Südafrikanern, die vor 23 Jahren die Rassentrennung besiegt hatten. Mngxitama fragt sich: Warum kritisierten Juden den Holocaust-, nicht jedoch den Kolonialismus-Tweet? Schließlich hätten doch beide versucht, eine historische Brutalität zu rechtfertigen.

Wendy Kahn, Direktorin des Jewish Board of Deputies, sieht Mngxitamas Aussage als klare Hetze gegen die jüdische Gemeinde in Südafrika und Juden weltweit. »Kommentare wie dieser schaffen ein Klima von Hass und Rassismus. Sie schaffen eine Umwelt, in der Menschen eingeschüchtert werden.«

Gleichheitsgericht Vergangene Woche reichte das SAJBD deshalb Klage gegen Mngxitama vor Südafrikas Gleichheitsgericht ein. In der oft noch gespaltenen Gesellschaft ahndet dieses Gericht Fälle von Diskriminierung, Rassismus und Hetze. Nicht nur müsse der Aktivist sich entschuldigen und seine Online-Beiträge löschen, fordert Khan.

Auch müssten die Richter ein Sensibilisierungstraining in Johannesburgs Holocaust-Zentrum anordnen: »Mngxitama würde dort lernen, dass seine Äußerungen nicht bloß die Würde und Seele der Betroffenen verletzen, sondern auch körperlichen Schaden zufügen können. Er würde verstehen, dass auch der Völkermord in Ruanda nicht einfach passierte, sondern mit Radioprogrammen begann, die die Opfer als ›Kakerlaken‹ bezeichneten.«

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  03.09.2025 Aktualisiert

Der Vorfall ereignete sich vergangene Woche im AZ Zeno Campus-Krankenhaus in Knokke-Heist in Belgien.

Belgien

Antisemitischer Arzt diskriminiert jüdisches Mädchen

Der Radiologe notierte auf dem Diagnoseblatt »jüdisch (Israel)« und teilt in seinen Social-Media-Konten antisemitische Karikaturen

von Nicole Dreyfus  02.09.2025

Schweiz

35 Jahre orthodoxe Nachrichten

»Die Jüdische Zeitung« ist die einzige deutschsprachige Wochenzeitschrift charedischer Juden – die Zahl der Leser wächst

von Peter Bollag  02.09.2025

Europa

Angst im Gepäck

Fast überall auf dem Kontinent kommt es zu verbalen oder gewalttätigen Übergriffen gegen jüdische und israelische Touristen. Wir haben Reisende gefragt, wie sie damit umgehen

von Nicole Dreyfus  01.09.2025

Rom

Goethe, Gucci, Miete – Streit um historisches Kaffeehaus

Seit 2017 gibt es einen Konflikt mit dem Eigentümer, dem Israelitischen Krankenhaus – nun soll das Antico Caffè Greco offenbar schließen

von Sabina Crisan  31.08.2025

Frankreich

Rabbinerin und Medienstar

Delphine Horvilleur ist die prominenteste Vertreterin des liberalen Judentums im Land. Trotz antisemitischer Angriffe und Hass aus verschiedenen Richtungen hält sie am Dialog fest

von Christine Longin  31.08.2025

Schweiz

Antisemitische Hetze in Zürich

In den Stadtvierteln Enge und Wollishofen, wo viele Juden leben, sind israelfeindliche Plakate an öffentlichen Orten aufgetaucht

 29.08.2025

Würdigung

Tapfer, klar, integer: Maram Stern wird 70

Er ist Diplomat, Menschenfreund, Opernliebhaber und der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Zum Geburtstag eines Unermüdlichen

von Evelyn Finger  29.08.2025

Russland

Die Angst vor den Worten

Alla Gerber ist mit 93 Jahren noch immer eine unerschrockene Kämpferin gegen den Antisemitismus. Ein Besuch bei der Moskauer Journalistin und Publizistin

von Polina Kantor  28.08.2025