Antisemitismus

»Der Hass ist unübersehbar«

Andrei S. Markovits Foto: Michigan Photography

Antisemitismus

»Der Hass ist unübersehbar«

Andrei S. Markovits über den Anschlag von Poway, ein verändertes Amerika und Donald Trump

 03.05.2019 10:03 Uhr

Herr Markovits, ist der Anschlag von Poway Ausdruck eines gewalttätigeren Antisemitismus in Amerika?
Zumindest eines aufsehenerregenderen Antisemitismus. Nach Pittsburgh kam es jetzt zu einem neuen Anschlag. So etwas kann man nicht mehr übersehen. Doch es ist ein globales Phänomen: Auch in Europa nimmt ja die Gewalt gegen Juden zu.

Woran liegt es?
Ich befürchte, die mehrere Jahrzehnte dauernde Post-Holocaust-Phase ist vorüber. Nach der Schoa war Antisemitismus so­zial geächtet. Jetzt aber ist das vorbei, was manchmal »Schonzeit für Juden« genannt wird. Man kehrt zur jahrhundertelangen judenhassenden Normalität zurück, die vor dem Holocaust herrschte. Antisemitismus im Alltag war auch in den USA vor dem Zweiten Weltkrieg völlig normal. Mit dem Internet kehrt er jetzt besonders schnell zurück. Hier kann ja jeder sagen, was er meint – je lauter, desto richtiger.

Sie bezeichnen den neuen Judenhass als globales Phänomen. In Europa denkt man bei dem Thema eher an Donald Trump.
Es gibt unter Trump vielleicht keine Entwicklung zu mehr Judenhass, sondern: Immer mehr protofaschistische Typen ermächtigen sich selbst zu solchen Terrortaten. Trump hat sozusagen die Schamschwelle gesenkt. Von dem 19-jährigen Täter von San Diego war jetzt zu hören, er sei gebildet gewesen, habe gut Klavier gespielt, also quasi ein »good guy«. Aber in ihm schlummerte der brennende Hass auf Juden, den sich so einer vermutlich noch vor wenigen Jahren selbst verboten hätte. Weg war der Hass aber nie.

Was bedeutet das für das jüdische Leben?
Es gibt beinahe eine Art Europäisierung in Amerika: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen werden bewacht, teils von der Polizei, teils von Security-Firmen. Bei mir in der Nähe ist eine Reformsynagoge, da steht am Schabbat ein Polizeiwagen davor. Das gab es früher nicht.

Nach Anschlägen in Europa heißt es schnell, Juden sollten nach Israel gehen. Gibt es eine ähnliche Diskussion in den USA?
Nein, interessanterweise überhaupt nicht. Nun war Amerika neben Israel immer ein Land, das für Juden da war, die Goldene Medine. Das ändert sich. Und es gibt immer stärkere antiisraelische Töne in der Debatte. Der Antizionismus nimmt gerade im linken und linksliberalen Spektrum deutlich zu.

Gleichwohl wählt die Mehrheit der amerikanischen Juden weiter die Demokraten?
Richtig, doch auch größere Teile des jüdischen Establishments tendieren zunehmend zu den Republikanern, denn dort finden sich auch wichtige Israel-Unterstützer.

Die Anschläge kommen jedoch – bislang zumindest – von rechts.
Ja, man kann vielleicht sagen: Die Rechten lieben Israel, hassen aber die Juden. Die Linken hassen Israel, lieben aber die Juden.

Mit dem Politologen von der University of Michigan sprach Martin Krauß.

Paris

Wegen Brief zu Antisemitismus: Frankreich bestellt US-Botschafter ein

Weil er den französischen Behörden Versäumnisse im Vorgehen gegen Judenhass vorgeworfen habe, soll Charles Kushner heute im Außenministerium erscheinen

 25.08.2025

Frankreich

Freizeitpark-Chef verwehrt israelischen Kindern den Zutritt

Der Betreiber des Parks hatte 150 israelische Kinder weggeschickt. Nun wurde er wegen Diskriminierung angeklagt. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft

 24.08.2025

Literatur

Vitaler Verteidiger der Freiheit

Zu seinem 96. Geburtstag beschenkt der wachsame Jahrhundertzeuge Paul Lendvai seine Leser mit einem neuen Buch

von Marko Martin  24.08.2025

Norwegen

Die nördlichste Synagoge der Welt

In Trondheim feiert die Gemeinde ihr hundertjähriges Bethaus. Zum Glück ist die Schabbat-Frage schon lange geklärt

von Elke Wittich  24.08.2025

Raubkunst

Drei Millionen Franken für Bührle-Stiftung

Die Stadt Zürich beantragt Kredit für vertiefte Provenienzforschung der Sammlung Bührle

 22.08.2025

New York

Monica Lewinsky stellt mit Amanda Knox Serie vor

Worum geht es in »The Twisted Tale of Amanda Knox«?

von Lukas Dubro  21.08.2025

Ukraine

Jude, Comedian, Freiheitskämpfer

Selten ist ein Staatsmann so sehr in seinem Amt gewachsen wie Wolodymyr Selenskyj. Die erstaunliche Karriere des ukrainischen Präsidenten

von Michael Gold  21.08.2025

Meinung

Für Juden in Frankreich ist das Spiel aus

Präsident Emmanuel Macrons antiisraelische Politik macht ihn zum Verbündeten der Islamisten und deren linken Mitläufern. Für Juden wird das Leben währenddessen immer unerträglicher

von Haïm Musicant  20.08.2025

Österreich

Jüdische Familie aus Taxi geworfen

In Wien beschimpfte ein Uber-Fahrer seine jüdischen Gäste und attackierte dann den Familienvater

von Nicole Dreyfus  19.08.2025