Diaspora

Der Hass der anderen

Am Montag vor dem israelischen Konsulat in New York: Die Polizei trennt Unterstützer Israels und propalästinensische Demonstranten. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Während Hamas und Islamischer Dschihad in Israel wüten, Menschen als Geiseln nehmen und ermorden, hat sich auch das jüdische Leben in der Diaspora verändert. »Heute Abend wird es anders sein«, schrieb der Rabbiner einer Gemeinde in Brooklyn am Samstagnachmittag kurz vor Simchat Tora, dem Torafreudenfest, auf Facebook.

»Als Reaktion auf den schrecklichen Krieg gegen Israel wird unsere Freude zu einer Mahnwache, und unsere Gebete werden sich in Solidarität mit unserer israelischen Familie verwandeln.« Man wolle die Einheit des jüdischen Volkes demonstrieren, hieß es weiter, es gehe jetzt darum, zu zeigen, »dass Amerikaner und amerikanische Juden an der Seite Israels stehen«.

Etwa zur gleichen Zeit bittet ein anderer Rabbiner in einer privaten Facebook-Gruppe um Entschuldigung dafür, dass er am Feiertag postet. »Ich kämpfe darum, ein Gleichgewicht zwischen der Beachtung von Simchat Tora und dem Respekt vor der Tragödie zu finden, die gerade passiert«, schreibt er.

Demonstranten versammeln sich vor dem UN-Hauptquartier

Kaum einen Tag später versammeln sich in New York vor dem UN-Hauptquartier sowie am Times Square rund 1000 Menschen und skandieren »Free Palestine!«. Viele Demonstranten tragen palästinensische Flaggen und Plakate mit den Worten »Zionismus ist Terrorismus« und »Israel ist ein terroristischer Staat«. Auch etliche Linksradikale haben sich daruntergemischt, sie tragen Poster, die Israel als »rassistisches Werkzeug amerikanischer Öl-Konzerne« verleumden. Ebenfalls am Sonntag versammeln sich in Atlanta und Chicago jeweils mehrere Hundert Demonstranten zu propalästinensischen Protesten.

Bereits am Samstagnachmittag haben die amerikanischen Behörden die Sicherheitsmaßnahmen rund um Synagogen und andere jüdische Einrichtungen deutlich erhöht.

Nach Berichten der »New York Times« kommt es am späten Sonntagnachmittag in Midtown Manhattan zu Spannungen. Dort stehen vor dem israelischen Konsulat rund 500 propalästinensische Demonstranten etlichen Israel-Anhängern gegenüber. »Sie beschimpften und verspotteten einander auf beiden Seiten der Second Avenue, wo sie schließlich die von der Polizei errichteten Barrikaden stürmten und auf die Straße drängten«, schreibt die Zeitung. Polizeibeamte hätten versucht, die beiden Gruppen auseinanderzuhalten. Die pro-israelischen Demonstranten schrien »Terroristen«, die Pro-Palästinenser »Allahu akbar«.

Bereits am Samstagnachmittag haben die amerikanischen Behörden die Sicherheitsmaßnahmen rund um Synagogen und andere jüdische Einrichtungen deutlich erhöht. In New York, Florida, Kalifornien und etlichen weiteren Bundesstaaten patrouillieren seit Samstag Polizisten in den Straßen um jüdische Gemeindezentren.

So auch in Los Angeles. Dort schrieb die Reformrabbinerin Sharon Brous nach Berichten der »Times of Israel« ihrer Gemeinde am Samstagmittag, in diesem Jahr würde Simchat Tora kein Fest »von unglaublich überschwänglicher Freude« werden. Angesichts dessen, was derzeit in Israel passiert, könne man nicht »den Impuls zu weinen überwinden und stattdessen tanzen«. Man werde aber auch nicht »die ganze Nacht auf dem Boden sitzen und weinen«. Ein Teil »der großen Herausforderung des Lebens und des Menschseins in der Welt« bestehe darin, »beides zu erleben«, schrieb Brous weiter.

Entsetzen und Sorge um Angehörige in Israel

So wie in den Vereinigten Staaten reagierten die jüdischen Gemeinden überall auf der Welt auf den Terror der Hamas in Israel: schockiert, entsetzt und in großer Sorge um ihre Angehörigen in Israel. Und fassungslos über so manche Reaktion, die den Terror begrüßt.

Vor der Oper in Sydney schrien am Montagabend arabischstämmige junge Männer: »Vergast die Juden!« Daraufhin wurden die Polizeipatrouillen in der australischen Großstadt verstärkt, ebenso wie in vielen anderen Städten weltweit, in denen sich Ähnliches ereignete.

In London und in anderen europäischen Städten fuhren Autos mit Palästinenserflaggen, und es gab propalästinensische Proteste: »Voller Stolz« und »Freude« sei sie über die Ereignisse im Nahen Osten, erklärte die Vorsitzende der Manchester Friends of Palestine, Dana Abuqamar, laut einem Bericht der »Jewish News«.

»Die Verherrlichung des Terrorismus der Hamas ist eine schwere Straftat.«

Robert Jenrick, Britischer Einwanderungsminister


Auf einer von linksextremen Aktivisten organisierten Konferenz in Liverpool wurden die in Israel mordenden Hamas-Terroristen öffentlich gelobt. Yasmin Elsouda von der palästinensischen Jugendbewegung in Großbritannien sagte: »Gestern sind über 230 unserer Geschwister (…) durch die Hand der zionistischen Organisation zu Märtyrern geworden.« Der »palästinensische Widerstand« habe »das gescheiterte zionistische Gebilde wieder einmal überrascht«.

Als Pendler am Montagmorgen auf ihrem Weg zur Arbeit zum Bahnhof Golders Green im Norden Londons gingen, sahen sie, dass in der Nacht Graffiti mit den Worten »Free Palestine« und »Palästina wird frei sein« auf benachbarte Brücken gesprüht worden waren. In Golders Green lebt eine der größten jüdischen Gemeinden Großbritanniens. Ein Sprecher der jüdischen Sicherheitsorganisation Community Security Trust (CST) sagte der »Jewish Week«, die Graffiti »scheinen ein absichtlicher Versuch zu sein, die jüdische Gemeinde einzuschüchtern«. Viele der Pendler haben Verwandte in Israel und warteten, als sie die Graffiti sahen, gerade besorgt auf Nachrichten von ihnen.

Mahnwache in London

Am Montagabend versammelten sich im Zentrum Londons gegenüber der Downing Street rund 5000 Menschen zu einer Mahnwache, um der Opfer, der Geiseln und der Verletzten in Israel zu gedenken. »Die Verherrlichung des Terrorismus der Hamas ist eine schwere Straftat. Diejenigen, die sich daran beteiligen, oder auch an jeder anderen Form von antisemitischen Angriffen, müssen gejagt, verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden«, wandte sich der britische Einwanderungsminister Robert Jenrick an die Versammelten. »Es kann keine Toleranz für diesen Hass und Antisemitismus in unserem Land geben.«

Er spreche nicht nur als Minister, sondern »als Vater einer jüdischen Familie«, hob Jenrick hervor. Der konservative Politiker ist mit einer Israelin verheiratet, deren Eltern den Holocaust überlebt haben.

Neben weiteren führenden Politikern wie Sicherheitsstaatssekretär Tom Tugendhat nahmen an der Kundgebung auch der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis teil sowie die Präsidentin des Board of Deputies, Marie van der Zyl. Mehrere Redner kritisierten die Berichterstattung der Medien. Vor allem verurteilten sie die BBC, die die Hamas-Mörder weiterhin als »Militante« und nicht als »Terroristen« bezeichnet.

An der Kundgebung nahm auch Israels Botschafterin in London, Tzipi Hotovely, teil. Sie sprach zu den Versammelten und versuchte ihnen sowie den Menschen in Israel Hoffnung zu machen: »Dies ist ein Kampf zwischen Gut und Böse«, sagte sie, »und das Gute wird siegen.«

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