Mexiko

Der andere jüdische Kandidat

Salomón Chertorivski Woldenbergs Familie stammt ursprünglich aus der Ukraine und Polen. Foto: picture alliance / NurPhoto

Salomón Chertorivski Woldenberg, der Kandidat des sozialdemokratischen Movimiento Cuidadano (MC) um das Bürgermeisteramt von Mexiko-Stadt, hat alles versucht, um bei den Wählern zu punkten. In der ersten TV-Debatte Anfang April holte er eine rote Popcorntüte hervor und aß daraus, während sich Clara Brugada von der Regierungspartei Morena und Santiago Taboada vom Oppositionsbündnis PAN-PRI-PRD in den Haaren lagen.

Die Wahl vom 2. Juni war der größte Urnengang in der Geschichte des Landes. Fast 99 Millionen Menschen waren aufgerufen, ihre Stimme für mehr als 20.000 kommunale und bundesstaatliche Ämter sowie für die Präsidentschaft abzugeben. Im Schatten der Entscheidung um das Präsidentenamt, das mit Claudia Sheinbaum erstmals eine Frau und Jüdin besetzen wird, wurde der Kampf um die Hauptstadt ausgetragen. Mit Chertorivski mischt auch hier ein jüdischer Kandidat mit; anders als Sheinbaum stand er allerdings nicht an der Pole Position. Er ist die Wild Card. Wie schon in der ersten Fernsehdebatte blieb ihm auch in der zweiten TV-Runde weitestgehend die Zuschauerrolle, während Brugada und Taboada einander mit Korruptionsvorwürfen und Anschuldigungen überzogen, für die Probleme der Wasserversorgung der Stadt verantwortlich zu sein. Chertorivski versuchte, mit Sachargumenten dagegenzuhalten, präsentierte einen Sechs-Punkte-Plan fürs Wasser und hob seine Vorschläge zur Digitalisierung der Verwaltung und zur Einrichtung eines lokalen Antikorruptionssystems hervor. Nie habe es Kritik an seiner Amtsführung gegeben, betonte er.

Liebe zum öffentlichen Dienst

Der 49-Jährige blickt auf mehr als 20 Jahre in öffentlichen Ämtern zurück. »Ich wollte immer im öffentlichen Dienst tätig sein und mich der Armutsbekämpfung widmen«, sagt er. Nach einem Wirtschaftsstudium am Instituto Tecnológico Autónomo de México (ITAM) sowie einem Master in Public Policy in Harvard, gehörte Chertorivski bereits im Alter von 28 Jahren der Regierung des Bundesstaats Michoacán als Koordinator des Sozialkabinetts an. Unter Präsident Felipe Calderón (2006–2012) bekleidete er verschiedene Posten, bevor er im September 2011 mexikanischer Gesundheitsminister wurde. Nach Ende der Amtszeit im Dezember 2012 wechselte er als Sekretär für wirtschaftliche Entwicklung nach Mexiko-Stadt. Später wurde er Kongressabgeordneter. Die Liebe zum öffentlichen Dienst wurde Salomón Chertorivski, der 1974 in Mexiko-Stadt geboren wurde, quasi in die Wiege gelegt.

Er entstammt einer Familie ukrainischer und polnischer Juden, die in den frühen 1920er-Jahren mittellos nach Mexiko eingewandert waren und mit offenen Armen empfangen wurden. »Es gibt keinen besseren Ort, um dem Land zu dienen, als den öffentlichen Dienst«, gab ihm seine Mutter Sara Woldenberg, selbst viele Jahre Beamtin, mit auf den Weg. Die liberalen Werte und das soziale Engagement erbte er von seinem Vater, Isaac Chertorivski, einem erfolgreichen Geschäftsmann.

Das Judentum spielt für Chertorivski eine wichtige Rolle. Der Vater zweier Töchter ist aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde in Mexiko, in der er sich von klein auf engagierte – ob in jüdischen Sportvereinen oder als Präsident der Federación Universitaria Sionista Latino­americana (FUSLA). Um das Gemeinschaftsleben in Israel kennenzulernen, lebte und arbeitete Chertorivski eine Zeit lang in einem Kibbuz in der Nähe von Netanya.

»Verteidigen, dass ich Jude bin«

Was es ihm bedeute, Jude zu sein, wurde er kürzlich in einem Interview gefragt. »Meine Wurzeln, meine Identität und eine Verantwortung.« Was er mit Verantwortung meine, wollte der Journalist wissen. »Weil ich, solange es Antisemitismus in der Welt gibt, mit Stolz sagen und verteidigen werde, dass ich Jude bin.«

2018 hatte sich Chertorivski schon einmal um das Bürgermeisteramt beworben, unterlag aber im parteiinternen Vorausscheid. Nun ging er für das Movimiento Ciudadano als Spitzenkandidat ins Rennen und versuchte, sich im polarisiert-schrillen Wahlkampf als Alternative anzubieten. In der zweiten Fernsehdebatte verzichtete Chertorivski aufs Popcorn. Stattdessen zeigte er zwei zerknitterte Transparente mit den Gesichtern von Brugada und Taboada, um die Wahlkampfausgaben seiner Kontrahenten anzuprangern. Gereicht hat es am Ende nicht, aber natürlich macht Chertorivski weiter.                            

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025