Niederlande

Das Chanukka-Wunder von Bourtange

Als er 1989 gebeten wurde, die erste Kerze des Chanukkaleuchters im nordniederländischen Dorf Bourtange, direkt an der Grenze zu Deutschland, anzuzünden, dachte Oberrabbiner Binyomin Jacobs, es wäre nur ein einziges Mal. Doch dieses Jahr werden die Kerzen in Bourtange zum 30. Mal leuchten, erzählt Willem Fokkens.

Der 79-Jährige ist der Vorsitzende des Vereins »Freunde der Synagoge Bourtange«, in dem sich jüdische und nichtjüdische, niederländische und deutsche Mitglieder engagieren. Fokkens liegt viel daran, die Synagoge als Bethaus und als Museum zu erhalten.

viehhändler Es leben heute nicht mehr viele Juden in diesem an Niedersachsen grenzenden Landstrich. Fokkens sagt: »Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es hier in Bourtange so um die 50. Sie waren integriert, sprachen die hiesige Mundart, trugen sogar oft die hiesige Tracht und verdienten ihr Geld meist als Viehhändler. Die meisten aber wurden deportiert und sind bis auf eine einzige Frau nicht zurückgekommen. Vier haben im Versteck überlebt.« Eine Namenswand an einer der Außenwände der Synagoge erinnert an die Tragödie.

Trotzdem ging es nach der Schoa irgendwie weiter. Die dezimierte Gemeinde tat sich mit einer Nachbargemeinde zusammen und später nochmals mit der weitaus größeren in Groningen. Aber auch sonst tat sich einiges in Bourtange.

Jahrhundertelang hatte das Dorf von Ackerbau und Viehzucht gelebt, doch in den 60er-Jahren begann der wirtschaftliche Niedergang. Die Jungen zogen weg, etwas musste geschehen, wollte Bourtange kein Geisterdorf werden. Da kam die Kommune auf die Idee, die alte Festung zu rekonstruieren.

Sie war im 16. Jahrhundert während des niederländischen Unabhängigkeitskrieges gegen die spanischen Habsburger errichtet worden und bewachte den einzigen Zugang durch das Bourtanger Moor, damals das größte Moorgebiet in Nordwesteuropa. Ab dem 18. Jahrhundert aber verlor die Festung langsam an Bedeutung, denn das Moor vertrocknete, und Kriege wurden anders geführt. 1851 wurde die Festung geschleift.

Vor einigen Monaten gab es erstmals wieder eine Trauung in der Synagoge.

Nach der Rekonstruktion der Festung wurde die ehemalige Synagoge von 1842 Infozentrum des Freilichtmuseums. Weil die Besucherzahl im Laufe der Jahre rasch stieg – heute sind es etwa 350.000 im Jahr –, ließ die Stiftung Festung Bourtange ein neues Infozentrum bauen, und die ehemalige Synagoge stand leer. 1988 wurde sie restauriert und bekam wieder eine Inneneinrichtung, mit Bänken, Bima und Toraschrein, alles aus altem Edelholz, das aus einer Kirche in Groningen stammt. »Deshalb erweckt die Innenausstattung jetzt den Eindruck, sie wäre die ursprüngliche«, sagt Fokkens.

Und so entstand ein Synagogen-Museum. An der Eröffnung 1989 nahm auch der israelische Kulturattaché teil – und so blieben aus Sicherheitsgründen die Zugbrücken der Festung während des festlichen Aktes oben.

Ein Jahr später gründete man den Verein »Freunde der Synagoge Bourtange«.

Fokkens setzt alles daran, dass die Synagoge weiterhin als Bethaus genutzt wird. Er selbst ist zwar nicht jüdisch, doch fährt er jeden Monat nach Groningen, um in der dortigen Synagoge mit sechs bis acht anderen Männern zu lernen.

barmizwa Auf dem Dorfplatz, neben dem Weihnachtsbaum, wird nächste Woche wie jedes Jahr die Chanukkia entzündet. »Die Frau des Oberrabbiners hat mal gesagt: ›Willem, jetzt müsste es nur noch schneien‹«, erinnert sich Fokkens.

Jedes Frühjahr wird in der Synagoge auch Pessach begangen, und einmal gab es sogar eine Barmizwa-Feier. Auch eine Trauung fand schon statt. Zwei jüdische Mitglieder des Vereins, beide über 70, wollten gerne in »ihrer« Schul heiraten. Manchmal fragen bei Fokkens auch Nichtjuden an. Doch das lehnt er ab. »Es ist und bleibt ein jüdisches Gebetshaus. Als Museum kann jeder die Schul besuchen, aber in religiöser Hinsicht steht sie nur Juden offen.«

Fokkens pflegt auch gute Beziehungen zur jüdischen Gemeinde in Osnabrück. Er kennt den Vorsitzenden persönlich. »Wenn nötig, leisten die Osnabrücker Beistand. So hatten wir einmal einen plötzlichen Todesfall. Es gestaltete sich aber schwierig, einen Minjan zusammenzubekommen. Da habe ich in äußerster Not in Osnabrück angerufen – und wenig später waren bereits drei Männer unterwegs. So hatten wir innerhalb einer Stunde einen Minjan.«

Über die Zukunft macht Fokkens sich einige Sorgen, aber sie rauben ihm nicht den Schlaf. »Was den musealen Teil der Synagoge anbelangt, den kann jeder machen, der sich einigermaßen einarbeitet. Doch das Religiöse wird sich schwieriger gestalten, weil es nur wenige Juden in Bourtange und Umgebung gibt, und auch kaum Nichtjuden, die etwas vom Judentum wissen. »Aber das wird schon kommen.«

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert