Tschechien

Blick ins Štetl

Zweitgrößte Stadt Tschechiens: Brünn Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Brünner Verleger und Schriftsteller Martin Reiner hat ein ambitioniertes Projekt ins Leben gerufen: In Brünn (Brno), der zweitgrößten Stadt Tschechiens mit etwa 380.000 Einwohnern, soll ein Museum für die jüdische Geschichte Mährens entstehen. Was zu Beginn noch als reines Dokumentationszentrum des Holocaust konzipiert gewesen war, hat sich zu einem umfangreicheren Vorhaben entwickelt.

Dieses Jahr ist für die Zukunft des Museumsprojekts richtungsweisend. Anfang September soll der Siegerentwurf für das Museumsgebäude, das in den nächsten Jahren erbaut werden soll, feststehen. Die Vorbereitung der zukünftigen Dauerausstellung hat begonnen, und ein »Museum in Klein« soll ab Herbst schon mal das Konzept erproben.

Die erste Ausstellung wird von Martin Šmok, einem Prager Forscher und Filmemacher kuratiert, der sich der jüdisch-tschechischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts verschrieben hat. Das gesamte Projekt erfreut sich breiter politischer Unterstützung, unter anderem von Premierminister Petr Fiala.

NAME Für die Namensgebung wurde der Vorschlag des Publizisten Petr Brod aufgegriffen, der in Analogie zum Warschauer Jüdischen Museum »Polin« den Begriff »Mehrin« empfiehlt – die historische hebräische Bezeichnung für Mähren.

Als Standort für das zukünftige Museumsgebäude wurde von der Stadt Brünn ein Grundstück in der Nähe des Hauptbahnhofs in Aussicht gestellt. Es soll in zentraler Lage errichtet werden, auf einem Parkplatz des alten Busbahnhofs vor dem »Grand Hotel« – ein Ort mit hoher Symbolkraft für das Brünner Judentum, steht er doch für Anfang und Untergang. In der Nähe wurde im Mittelalter der älteste jüdische Friedhof angelegt. Im Nationalsozialismus wurden die Juden der Stadt vom Hauptbahnhof aus in die Todeslager deportiert.

SYNAGOGE Nur wenige Hundert Meter entfernt befindet sich die einzige Synagoge Brünns, in der heute noch gebetet wird: »Agudas Achim«, 1936 im funktionalistischen Stil erbaut. Ein weiteres Beispiel dieser für Brünn so charakteristischen Architektur ist die Villa Tugendhat aus dem Jahr 1930, erbaut für die gleichnamige jüdische Familie, heute UNESCO-Kulturerbe und Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. An dieser Villa soll sich der Museumsneubau orientieren. Es sei an der Zeit, so die Initiatoren, »für Brünn ein neues ikonisches Gebäude zu schaffen, das der Stadt seinen Stempel aufdrücken wird«.

Auf dem jüdischen Friedhof aus dem Jahr 1852 wird die Bedeutung der jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert sichtbar. Jüdische Unternehmerfamilien, wie die bekannten Löw-Beers, Gomperz oder Stiassnis, orientierten sich an der deutschen Sprache sowie Kultur und trugen im Bereich der Textilbranche maßgeblich zum Aufstieg der Stadt bei, die nicht umsonst das »mährische Manchester« genannt wurde.

GEMEINDE Obgleich die jüdische Gemeinde heute nur noch rund 300 Mitglieder zählt – 1938 waren es 12.000! –, kann man durchaus von einem aktiven Gemeindeleben im religiösen, sozialen und kulturellen Bereich sprechen. Sowohl für die ältere als auch die junge Generation gibt es eine Reihe von Veranstaltungsangeboten. Der sehr engagierte Brünner Rabbiner Menashe Kliment hat unter anderem »Machon Moravia«, eine Organisation für jüdische Bildung, gegründet. Seit 2007 betreibt die Gemeinde eine koschere Küche, ebenso steht eine Mikwe zur Verfügung. Für Anfang September plant die Gemeinde ein mehrtätiges Kulturfestival, das »Štetl-Fest«, mit Programm im gesamten Stadtgebiet.

Die reiche und vielfältige mährisch-jüdische Geschichte soll im neuen Museum vor allem mit der Erinnerung an konkrete jüdische Familiengeschichten und Orte präsentiert werden. Dafür müssen allerdings noch offene Finanzierungsfragen geklärt werden, was sich in der aktuellen politischen Krise in Europa als nicht einfach erweisen dürfte. Immerhin: Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat Ende Juni dem Projekt Mehrin einen Sonderzuschuss in Höhe von rund 20.000 Euro zugesagt.

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