Im November 1940 hielt der niederländische Rechtsprofessor Rudolph Cleveringa (1894-1980) an der Universität Leiden eine flammende Rede, in der er offen gegen die Verfolgung jüdischer Kollegen durch die deutschen Besatzer protestierte.
Wenige Tage zuvor waren alle Hochschullehrer zur Abgabe der sogenannten Ariererklärung gezwungen worden, mit der Juden aus den Universitäten ausgeschlossen wurden. Auch alle, die sich weigerten, die Erklärung abzugeben, ereilte dieses Schicksal.
Anstatt die Vorlesung seines entlassenen jüdischen Kollegen Eduard Meijers zu übernehmen, hielt Cleveringa im Audimax der Universität vor einer großen Zuhörerschaft am 26. November eine Protestrede gegen die antisemitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten.
Aus dem Publikum erhielt er viel Zuspruch, einige Studenten stimmten sogar spontan die niederländische Nationalhymne an. Tags darauf wurde der Professor aber verhaftet und musste für seinen mutigen Protest ein halbes Jahr Zuchthaus auf sich nehmen.
Seit 1970 findet in Leiden zum Andenken an den mutigen Widerspruch alljährlich am 26. November die Cleveringa-Vorlesung statt. Als Gastrednerin war in diesem Jahr die französische Politikwissenschaftlerin Hélène Landemore vorgesehen, die an der Yale University in den USA lehrt.
Doch die Gedenkvorlesung konnte in diesem Jahr nicht wie geplant im Akademiegebäude stattfinden. Der Grund: Mehrere Dutzend Mitglieder der Gruppe »Students for Palestine«, die zum Großteil mit Kufyjas vermummt waren, hielten das Gebäude besetzt, um damit gegen Israel zu demonstrieren.

Sie forderten unter anderem den vollständigen Abbruch aller Beziehungen zwischen Leiden und israelischen Hochschulen – und das, obwohl die Universität bereits die Aussetzung von Austauschprogrammen beschlossen hatte. Unter Verweis auf Sicherheitsbedenken entschied die Universitätsleitung, die Cleveringa-Vorlesung in einen anderen Hörsaal zu verlegen.
Laut der Nachrichtenseite »Jonet.nl« stellten die Demonstranten außerdem einen Zusammenhang zwischen der Gedenkveranstaltung an die Judenverfolgung in der NS-Zeit und der aktuellen Situation in Gaza her, was mehrere Gäste als befremdlich empfanden.
Die Gastrednerin Landmore - sie sollte ausgerechnet zum Thema »Demokratie und Protest« reden - schien sich daran nicht zu stören. »Menschen demonstrieren, wenn sie wütend sind und sich nicht gehört fühlen. Demokratie ist unvollkommen«, sagte sie in einem Interview. Universitäten hätten allerdings eine Verantwortung, Räume bereitzuhalten, in denen Menschen frei sprechen könnten. Deshalb sei es wichtig, dass die Veranstaltung stattgefunden habe.
Am Abend ließ die Universitätsleitung dann das Akademiegebäude von der Polizei räumen.