Brexit

»Bedenkliche Entwicklung«

Richard Verber Foto: John R. Rifkin

Herr Verber, wie bewerten die britischen Juden das Ergebnis des Brexit-Referendums?
Unsere Gemeinschaft ist in dieser Frage keineswegs nur einer Meinung. Manche begrüßen das Ergebnis, andere nicht. Wir als Dachorganisation haben uns im Vorfeld neutral dazu verhalten und beide Seiten zu einer Debatte eingeladen.

Und jetzt nach der Entscheidung?

Die Zukunft kann niemand vorhersagen. Fest steht jedoch, dass die jüdische Gemeinschaft und Israel mit Premierminister David Cameron einen Freund verlieren. Wir bedauern das. Aber ebenso begrüßen wir die Persönlichkeit, die ihm folgen wird.

Welche Konsequenzen hätte ein Brexit für Juden in Schottland, Nordirland und Wales?
Der Dezentralisierungsprozess in Großbritannien macht eine lokale Verwaltung notwendiger. In Nordirland und Wales ist das kaum ein Problem, denn dort leben nur wenige Juden. Anders verhält es sich in Schottland. Aber dort werden die Juden bereits durch einen eigenen Dachverband vertreten, mit dem wir schon seit Jahren zusammenarbeiten.

Welche Ängste und Sorgen bereitet Juden der mögliche Brexit?
Wie gesagt, manche haben überhaupt keine Bedenken, sondern sind hochzufrieden mit dem Abstimmungsergebnis. Andere hingegen betrachten die Entwicklung mit Sorge. Viele Gemeindemitglieder finden es problematisch, dass sich die Brexit-Debatte auf Einwanderer konzentriert. Denn viele von uns und unseren Familien waren und sind selbst Migranten. Manche sind auch in Sorge um das Recht der Beschneidung sowie der Schechita, des rituellen Schlachtens.

Inwiefern?
Einige behaupten, mit Großbritannien werde innerhalb der EU eine wichtige Stimme verschwinden, die diese Rechte unterstützt. Andererseits: Sollte es dazu kommen, dass die EU diese rituellen Praktiken verbietet – möge es der Allmächtige verhüten –, dann sind wir in Großbritannien nicht mehr davon betroffen. Allerdings muss man sagen, dass unser Fleisch hauptsächlich aus den EU-Staaten Polen und Irland kommt.

Wie könnte sich der Brexit auf Rechtspopulisten zum Beispiel in Polen und Ungarn auswirken, die gern auch antisemitisch argumentieren?
Zu dieser Liste könnte man ebenso auch Deutschland, Schweden und Frankreich hinzufügen. Diese Länder sind zwar sehr unterschiedlich, aber es gibt dort überall Bewegungen, die vor allem Immigranten und Muslime herabwürdigen. Europafeindliche Strömungen in diesen Ländern argumentieren – ähnlich wie die Brexit-Befürworter – eher emotional und populistisch als rational. Diese Entwicklung ist bedenklich, denn sie könnte zu einer Ausgrenzung führen, wie Juden sie in der Vergangenheit erlebt haben.

Mit dem Vizepräsidenten des Board of Deputies of British Jews sprach Daniel Zylbersztajn.

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025