USA

Aus dem Amt gedrängt

Amy Acton bei einer Pressekonferenz mit Ohios Gouverneur Mike DeWine am 10. März 2020 Foto: imago images/ZUMA

Vor wenigen Monaten kannte kaum jemand Amy Acton, Regierungsbeamtin im Ohio. Seit der Corona-Krise ist ihr Name vielen ein Begriff, auch über die Grenzen des US-Bundesstaates hinaus.

Acton, die jüdisch ist, wurde nicht nur wegen der von ihr veranlassten restriktiven Maßnahmen in der Corona-Krise hart angegangen. Sie war auch Adressatin antisemitischer Hassbotschaften. Vor ihrem Wohnhaus marschierten sogar bewaffnete Demonstranten auf, die Poster mit judenfeindlichen Parolen hochhielten.

Empörte Geschäftsleute, die ihre Läden im Zuge der Covid-19-Pandemie auf Anweisung Actons schließen mussten, strengten juristische Verfahren gegen die Ärztin an. Nachdem nun auch noch das Abgeordnetenhaus Ohios beschloss, ihre Kompetenzen als Chefin der Behörde für öffentliche Gesundheit einzuschränken, trat die 54-Jährige vergangene Woche von diesem Amt zurück.

MEDIZINSTUDIUM Nach der Scheidung ihrer Eltern war Acton in prekären Verhältnissen aufgewachsen und hatte eine Zeit lang sogar in einem Zelt gelebt, weil ihre Mutter nicht genügend Geld gehabt hätte, erzählte sie später in einem Interview. Sie und ihr Bruder hätten oft Frühstück von besorgten Nachbarn bekommen. Später gelang es ihr aber, einen Abschluss in Kinderheilkunde und vorbeugender Medizin an der Universität von Northeastern Ohio zu erwerben.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Obwohl Acton 2008 für den Demokraten Barack Obama Wahlkampf gemacht hatte, berief sie der republikanische Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, im Februar 2019 zur Leiterin des Amtes für öffentliche Gesundheit. Dort war sie nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Medizinerin seit Langem.

Auf Anraten Actons reagierte DeWine als einer der ersten Politiker in Amerika überhaupt auf die Ausbreitung des Coronavirus: Bereits Mitte März wurden Bars und Restaurants in Ohio geschlossen, als der Bundesstaat noch sehr wenige Corona-Infizierte hatte.

Zwar wurde die vom Gouverneur angeordnete Verschiebung der für den 17. März anberaumten Vorwahlen von einem Gericht wieder kassiert. Doch Acton ordnete trotzdem die Schließung der Wahllokale an – aus gesundheitlichen Gründen. So blieb nur die Briefwahl als mögliche Alternative.

FRÜHES HANDELN Dank des schnellen Handelns konnte Ohio vor den meisten übrigen Bundesstaaten bereits Anfang Mai damit beginnen, die Alltagsrestriktionen wieder etwas zu lockern. Allerdings ging vielen das nicht schnell genug, und Acton wurde scharf für ihre Empfehlung kritisiert, Immunitätsnachweise für Geschäftsleute einzuführen.

Bei Pressekonferenzen stand Amy Acton stets an der Seite des Gouverneurs. Nicht nur der lobte sie bei Bekanntgabe ihres Rücktritts in den höchsten Tönen. »Es stimmt nicht, dass alle Helden Hauben tragen. Einige von ihnen tragen in Wahrheit einen weißen Kittel, und auf dem Kittel dieser Heldin hier steht der Name Dr. Amy Acton«, sagte DeWine.

Auch der Chef der demokratischen Opposition im Senat von Ohio, Kenny Yuko, lobte die scheidende Amtsleiterin. Sie habe eine »unglaubliche Menge an unfairer Kritik, einschließlich antisemitischer Attacken«, erdulden müssen.

Von der politischen Bühne Ohios verschwinden wird die Ärztin dennoch nicht: DeWine berief sie flugs zu seiner Beraterin in Gesundheitsfragen – zum Wohlwollen der Demokraten, die dies ausdrücklich begrüßten.

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025