Russland

Aufbau Königsberg

Die Angriffe erfolgten so massiv wie unvermittelt: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zogen die Nazis marodierend durch Königsberg, raubten jüdische Geschäfte aus und zündeten alle fünf Synagogen der Stadt an. Auch die 1896 erbaute liberale Hauptsynagoge brannte vollständig aus. Bis heute erinnert in Kaliningrad, wie die Stadt seit 1946 heißt, nichts mehr an den Bau, der bei den Betern in Königsberg einst als schönstes Gotteshaus Europas galt.

Der Kaliningrader Unternehmer Leonid Plitman will sich damit nicht abfinden. Seit mehr als zehn Jahren engagiert er sich für den Wiederaufbau der früheren Hauptsynagoge. Eine Art Lebensaufgabe sei das für ihn geworden, berichtet der 61-Jährige. Anfangs wurde er für sein Vorhaben belächelt und nicht selten auch für verrückt erklärt. »Die ersten Jahre waren wirklich hart«, erinnert er sich. »Man hat mir oft gesagt: Das Judentum in Russland hat keine Zukunft.«

Erfolge Durch die besondere Geschichte der Stadt ist die Distanz zum Judentum nach wie vor groß. »Zwölf Jahre NS-Regime und 50 Jahre atheistische Sowjetunion – das hinterlässt Spuren«, so Plitman. Doch der Unternehmer ließ sich nicht entmutigen. Er suchte sich Mitstreiter, klärte über die große jüdische Geschichte der Stadt auf und begeisterte private Sponsoren für das Projekt. Nach und nach konnte er immer wieder kleine Erfolge verbuchen. »Mittlerweile stehen wir gut da«, sagt Plitman nicht ohne Stolz.

Hauptsponsor des Wiederaufbaus ist Vladimir Katzman. Der Kaliningrader Geschäftsmann hat insgesamt mehrere Millionen Euro in den Bau investiert und wirbt auch bei anderen Mäzenen für das Projekt. »Katzman möchte an die bedeutende jüdische Geschichte Kaliningrads anknüpfen«, erklärt Natalia Lorens, Geschäftsführerin des Fonds für den Wiederaufbau der Synagoge. Vor der Schoa zählte die jüdische Gemeinde Königsberg rund 5000 Mitglieder. Neben Berlin und Breslau gehörte die Stadt zu den Zentren jüdischen Lebens in Europa. Heute gibt es in Kaliningrad etwa 2500 Juden.

Unterstützung vom Staat haben die Initiatoren bislang nicht erhalten. Anders als in Deutschland gibt es in Russland vonseiten der Regierung keine gezielten Bestrebungen, jüdische Infrastruktur zu fördern. »Das ist in Ordnung für uns«, betont Lorens. Restriktionen habe sie in ihrer Arbeit bisher noch nicht erlebt. Der Fonds und die jüdische Gemeinde handelten vollkommen frei und autonom, sagt sie. »Man lässt uns in Ruhe unsere Arbeit machen.«

Rechtsstreit Dabei hätten sie und Plitman in den vergangenen Jahren durchaus Hilfe gebrauchen können. Lange Zeit sah es nicht danach aus, dass die jüdische Gemeinde das Grundstück jemals zurückerhalten würde. Mehrere Jahre lang dauerte ein Rechtsstreit mit dem Zirkus »Jantar«, der das Gelände der früheren Hauptsynagoge nutzte. Erst im Jahr 2011 entschieden die Richter, den Platz gegenüber der Dominsel der jüdischen Gemeinde zu übertragen. Allerdings unter einer Bedingung: Die Gemeinde musste dem Zirkus mehrere Hunderttausend Euro zahlen, bevor dieser das Gelände verließ.

Seitdem macht das Projekt Wiederaufbau Fortschritte. Ein Architektenbüro ist bereits mit dem Bau der neuen Synagoge beauftragt. Sie soll nach den ursprünglichen Plänen der Berliner Architekten Wilhelm Cremer und Richard Wolffenstein im Stil des Eklektizismus wiederaufgebaut werden: mit rundlichen Türmen wie beim Dom von Worms, flankiert von einer Kuppel, die vom Aachener Dom inspiriert ist.

Im Frühjahr sollen die Bauarbeiten beginnen. Victor Shapiro fiebert dem schon seit Jahren entgegen. Der Vorsitzende von Adass Israel Kaliningrad freut sich besonders darauf, dass dann die Zeit des Improvisierens vorbei sein wird. Bislang beten die Kaliningrader Juden im Saal eines Hotels, der für jeden Schabbat eigens angemietet wird. »Wann genau der Wiederaufbau beendet sein wird, steht noch nicht fest«, sagt Schapiro. »Mit etwas Glück aber werden wir schon im Frühjahr 2015 zum ersten Mal in der Synagoge beten können – pünktlich zum 70. Jahrestag des Sieges Russlands über Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg.«

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Australien

Mindestens zwölf Tote bei antisemitischem Massaker in Sydney

Australien ist im Schockzustand: Zwei Attentäter schossen am Sonntag auf Juden, die sich in Bondi Beach zu einer Chanukka-Feier versammelt hatten

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025 Aktualisiert

Australien

Judenfeindlicher Terroranschlag in Sydney: Zwei Personen in Polizeigewahrsam

Die Polizei ruft nach dem Angriff in Sydney dazu auf, das Gebiet des Angriffs weiter zu meiden. Der Einsatz dauere an

 14.12.2025

Terror

Medienberichte: Terroranschlag in Australien bei Chanukka-Feier

Die Polizei warnt vor einem »sich entwickelnden Vorfall« am Bondi Beach. Ersten Berichten zufolge soll das Ziel ein Chanukka-Fest gewesen sein. Australische Medien berichten von mehreren Opfern

von Denise Sternberg  14.12.2025 Aktualisiert

Damaskus

Syriens Regierung erteilt erster jüdischer Organisation Lizenz

Mit Rabbiner Henry Hamras Stiftung »Jüdisches Erbe in Syrien« wird erstmals seit dem Ende der Assad-Dikatur wieder eine jüdische Organisation in dem arabischen Land aktiv sein

 14.12.2025