Frau Ukolova, Sie wurden 1986 in der Ukraine geboren und kamen 2002 nach Israel. Rund zehn Jahre später wurden Sie russischsprachige Pressesprecherin der israelischen Streitkräfte (IDF). Wie kam es dazu?
Nachdem ich in Israel die letzten drei Schulklassen absolviert hatte, studierte ich zunächst im Rahmen eines speziellen Programms, um anschließend Wehrdienst zu leisten. Nach meinem Bachelorabschluss an der Hebräischen Universität in Jerusalem diente ich in einer Armeeeinheit, die verletzte und erkrankte Soldaten und ihre Angehörigen betreut. 2011 wechselte ich als Vertragssoldatin in die Presseeinheit der IDF und wurde Leiterin der dortigen russischsprachigen Abteilung.
Was haben Sie in dieser Zeit erlebt?
Die für Israel bedeutendsten Ereignisse waren damals die Befreiung des von der Hamas in Gaza als Geisel gefangen gehaltenen Soldaten Gilad Schalit im Jahr 2011 und die Operation »Protective Edge« im Gazastreifen im Sommer 2014. Nach dreieinhalb Jahren endete mein befristeter Vertragsdienst.
Wie war Ihre Armeezeit als Frau?
Wenn ich mich mit meinem deutschsprachigen Kollegen Arye Sharuz Shalicar vergleiche, dann gab es keinerlei Unterschiede, was die Konditionen angeht. Auch in Kampfeinheiten müssen Frauen dieselben Kriterien erfüllen wie männliche Soldaten. Die Armee verfährt zudem strenger mit sexuellem Missbrauch als der israelische Staat. In Israel dienen alle Frauen und Männer immer zusammen.
Was kam nach dem Armeedienst?
Ich zog nach Moskau und arbeitete an der israelischen Botschaft für die Organisation Nativ (eine dem Präsidialamt unterstehenden Behörde, die in den Ländern Osteuropas Kulturarbeit betreibt, Anm. d. Red.). Zwei Jahre lang war ich Direktorin des israelischen Kulturzentrums in Moskau. Anschließend kehrte ich nach Israel zurück und leitete mehrere Hotels in Haifa.
Wie haben Sie Israel als russischsprachige Einwanderin erlebt?
Israel bietet Einwanderern sehr viele Chancen und unterstützt deren Integration stärker als andere Länder. Man bekommt aber nichts geschenkt und muss hart arbeiten. Viele russischsprachige Einwanderer sind in hohe Positionen aufgestiegen. Ich liebe Israel. Wenn ich nicht an dieses Land glauben würde, könnte ich nicht Pressesprecherin sein. Leider glaube ich, dass wir uns in einem Krieg um unser Existenzrecht befinden.
Nach dem verheerenden Hamas-Angriff auf den Süden Israels aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 wurden Sie als Reservistin einberufen und arbeiten seitdem wieder als russischsprachige IDF-Sprecherin. Was gehört zu Ihren Aufgaben?
Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem die Menschen mehr als nur eine Version einer Nachricht erfahren, damit eine objektive Berichterstattung wenigstens ansatzweise möglich wird. Oft wird leider nur die Hamas zitiert, ohne dass auch wir um eine Stellungnahme gebeten werden. Wir veröffentlichen Pressemitteilungen und stellen Informationen bereit. Wenn Journalisten uns anfragen, liefern wir auch Audio-, Video- und Text-Statements.
Welche Medien wenden sich an Sie?
Ich arbeite mit in Israel und weltweit ansässigen russischsprachigen Medien-Outlets – Russland und die Ukraine zählen ebenso dazu wie die baltischen Staaten und Aserbaidschan. Dazu kommen Blogger, YouTuber, Telegramer und russische Exilsender.
Also nicht nur im traditionellen Sinne journalistische Medien?
Blogger sind kein klassisches Medium, haben jedoch oft eine große Leserschaft. Wir möchten alle Kanäle nutzen, auf denen Menschen sich informieren – solange die Betreiber und die Nutzer bereit sind, unsere Informationen und unsere Version zu beachten. In meiner Rolle bin ich zudem in den sozialen Medien aktiv – unter anderem auf Telegram.
Arye Sharuz Shalicar spricht oft über die Fallstricke seiner Arbeit mit deutschsprachigen Medien. Worauf kommt es bei der Arbeit mit russischsprachigen Journalisten an?
Generell arbeiten wir mit allen Medien – egal, wie gut oder schlecht sie aus unserer Sicht über Israel berichten. Es ist sehr unterschiedlich: Ukrainische Medien tendieren mehr zu einer pro-israelischen Haltung, während die russischen eher um Ausgewogenheit bemüht sind. Aber viele russischsprachige Blogger, die Israel kennen und die Situation verstehen, produzieren absolut pro-israelischen Content.
Weltweit eher eine Ausnahme …
Die weltweite Tendenz ist anti-israelisch. Es gibt eine starke Propaganda von palästinensischer Seite, von der Hamas, ebenso wie von Iran und Katar. Sie haben über Jahre viel Geld investiert, um Israel als einen Aggressor hinzustellen und um einen vermeintlichen Krieg Israels (oder gar »der Juden«) gegen den Islam zu präsentieren.
Dabei leben in Israel zahlreiche Muslime Seite an Seite mit jüdischen Israelis.
Die israelischen Muslime waren geschockt von dem, was am 7. Oktober geschehen ist. Muslime und Beduinen waren ebenso unter den Opfern und wurden ebenso als Geiseln verschleppt wie jüdische Israelis. Und auch im Krieg leiden muslimische Israelis genauso wie jüdische.
Warum verfängt die Hamas-Propaganda so gut?
Nehmen Sie das vielfach verbreitete Wort »Genozid«. Dafür gibt es eine genaue Definition, die überhaupt nicht dem aktuellen Geschehen entspricht. Viele Mediennutzer auf der ganzen Welt können und wollen aber nicht die Situation in Israel durchdringen. Sie schnappen irgendwo etwas auf und bilden sich so ihre Meinung. Es ist schwer, gegen die unzähligen anti-israelischen Propaganda-Nachrichten der Hamas anzukommen.
Ist der Kampf gegen die Propaganda-schwemme aussichtslos?
Uns ist klar, dass wir nicht die gesamte Weltbevölkerung davon werden überzeugen können, Israel zu lieben. Aber wir wollen, dass die Mediennutzer auch unseren Standpunkt kennen. Es geht zudem darum, sich bewusst zu machen, dass Hamas eine Terrororganisation ist und die aus Gaza gemeldeten Zahlen bei Weitem nicht immer glaubwürdig, sondern erklärungsbedürftig sind.
Die Armeesprecherin interviewte Eugen El.