Zwei Tage lang sollte es im polnischen Września Konzerte und Lesungen zu Ehren von Louis Lewandowski geben, der 1821 in der Stadt 50 Kilometer östlich von Poznan geboren wurde. Urheber und Hauptorganisator des Projekts über den berühmten Komponisten synagogaler Musik ist die Kinderstiftung der Stadt. Dazu eingeladen waren der Chor der Synagoge Pestalozzistraße in Berlin, deren Kantor Isidoro Abramowicz sowie der Organist Jakub Stefek, die gemeinsam mit dem örtlichen Kinderchor am 25. und 26. Oktober auftreten sollten.
Nach massiver antisemitischer Hetze und offenen Drohungen, die Veranstaltungen zu stören, wurde nun kurzfristig alles abgesagt. In einer regelrechten Onlinekampagne, angeführt von dem rechtsextremen EU-Abgeordneten Grzegorz Braun, wurde den Organisatoren – darunter auch die katholische Kirche – vorgeworfen, ein Konzert jüdischer Musik auf deutscher Sprache in einer katholischen Kirche geplant zu haben. Immer wieder war von einer drohenden »Entweihung« der Fara-Kirche gesprochen, in der ein Konzert stattfinden sollte.
Er gebe seit vielen Jahren Konzerte in Polen, sagte der Berliner Kantor Abramowicz gegenüber der »Jüdischen Allgemeinen«. »Wir werden überall hin eingeladen. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Diese plötzliche Eskalation ist unglaublich.« Das Lewandowski-Projekt sei eines, das für die Zusammenarbeit der Religionen stehe, in dem es um Offenheit gehe. »Das ist nun zerstört.« Er hoffe auf eine angemessene Reaktion von Seiten der polnischen Regierung, so Abramovicz weiter. »Und dass wir viel Unterstützung und ein neues Datum finden.«
Zum Schutz aller Beteiligten
»Alle Institutionen, die mit uns zusammenarbeiten, sind mit einer Welle des Hasses und antisemitischer Hetze überschwemmt worden«, zitieren polnische Zeitungen Liliana Pylak, die Präsidentin der Kinderstiftung von Września – darunter die städtische Musikschule, der Bürgermeister, der Pfarrer der Fara-Kirche und das katholische Oberhaupt Polens, der sogenannte Primas.
»Mit großer Trauer sagen wir die geplanten Veranstaltungen über das Leben von Louis Lewandowski und das Konzert in der Fara-Kirche in Września am 25. und 26. Oktober 2025 ab«, schreibt der Vorstand der Kinderstiftung auf deren Webseite. Man habe diese Entscheidung zum Schutz aller Beteiligten getroffen. »Die Autoren des Hasses sind Menschen, die die Geschichte unserer Stadt nicht kennen«, heißt es weiter. »Ziel des Projekts, an dem viele Menschen das ganze Jahr über gearbeitet haben, war es, die Bewohner unserer Stadt mit dem Menschen und dem Werk von Louis Lewandowski bekannt zu machen, der ein Kind von Września ist.« Es sei schade, dass, »ohne die Geschichte zu kennen, die Erinnerung an andere kaputtgemacht, und die soziale Arbeit vieler wunderbarer Menschen zerstört wird. Die christliche Kultur befiehlt uns, gute Werte zu schaffen, nicht zu zerstören.«
»Rassistischer, neopaganistischer Antisemitismus«
Deutliche Worte findet auch der polnische Journalist Tomasz Terlikowski, der postete: »Wenn jemand die Ehre der Kirche gegen jüdische Musik und jüdische Helden verteidigen will, bedeutet das, dass er Jesus Christus, Miriam – seine Mutter – und Josef und, ganz zu schweigen von den Aposteln, hinauswerfen will«, so der katholische Aktivist. »Und wenn jemand die jüdische Liturgie aus ihr verbannen will, bedeutet das, dass er nicht weiß, was die wahren religiösen Quellen der Eucharistie sind. Rassistischer, neopaganistischer Antisemitismus zeugt vor allem von Unwissenheit und Glaubensmangel und hat mit dem Christentum und dem Katholizismus nichts zu tun.«