Brüssel:

Angst um die Zukunft

»Wenn dies so weitergeht, werden Juden Europa weiter verlassen«: Rabbiner Jonathan Sacks Foto: Uwe Steinert

Die Lage für Juden in Europa wird nach Ansicht des britischen Rabbis Lord Jonathan Sacks immer bedrohlicher. »In jedem einzelnen Land Europas, ohne Ausnahme, haben Juden Angst um ihre oder ihrer Kinder Zukunft«, erklärte Sacks am Dienstag im Europäischen Parlament in Brüssel. »Wenn dies so weitergeht, werden Juden Europa weiter verlassen, bis Europa, abgesehen von den Gebrechlichen und den Alten, letztlich judenrein geworden ist«, sagte das Mitglied des britischen Oberhauses und spielte damit auf die Begrifflichkeit der Nationalsozialisten an.

Sacks zufolge hat sich der Antisemitismus im Laufe der Jahrhunderte verändert. Wie ein Virus sei er gerade dadurch erfolgreich. So seien die Juden früher wegen ihrer Religion und später aufgrund der Rasse gehasst worden. Heute würden sie wegen des Staates Israel gehasst. Außerdem sei das historische Epizentrum des Antisemitismus früher Europa gewesen, heute sei es der Nahe Osten. Und das Virus verbreite sich über die elektronischen Medien weltweit, fügte der Geistliche hinzu.

menschenrechte Eine dritte Mutation bezeichnete Sacks als besonders verstörend: Antisemitismus werde stets mit der jeweils höchsten Autorität begründet. Heute stellten die Menschenrechte die höchste Autorität dar, erläuterte der Rabbiner. »Deshalb wird Israel – die einzige voll funktionierende Demokratie im Nahen Osten mit einer freien Presse und unabhängiger Justiz – regelmäßig der fünf Kardinalsünden gegen die Menschenrechte angeklagt: Rassismus, Apartheid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnische Säuberung und versuchter Völkermord.«

Antisemiten könnten heute leugnen, dass sie ein Problem mit Juden hätten, indem sie vortäuschten, sie hätten nur »ein Problem mit dem Staat Israel«, sagte Sacks. Dabei dürfe Israel durchaus kritisiert werden, betonte er. Antisemitismus sei es aber, wenn den Juden verwehrt werde, »als Juden zu existieren mit denselben Rechten wie jeder andere«. Er verwies darauf, dass Israel das einzige Land sei, dessen Existenz immer wieder infrage gestellt werde. epd

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025