USA

Am Ziel vorbei?

US-Präsident Joe Biden Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Die amerikanische Regierung hat jüngst den Entwurf eines Strategiepapiers gegen Antisemitismus vorgestellt. Einer der Hauptgründe, ein solches Papier zu erstellen, ist laut der Biden-Administration der alarmierende Anstieg sogenannter Hassverbrechen, von denen amerikanische Juden unverhältnismäßig stark betroffen sind.

Die Regierung möchte die Sicherheit jüdischer Gemeinden verbessern, gegen die zunehmende Normalisierung des Antisemitismus in der Gesellschaft angehen und antisemitischer Diskriminierung entgegenwirken sowie »gemeinschaftsübergreifende« Solidarität und kollektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass aufbauen.

ISRAEL Jüdische Organisationen kritisieren, dass Präsident Joe Biden in dem Entwurf eine verwässerte Definition des Antisemitismusbegriffs gewählt habe, die eine Ablehnung der Staatsgründung Israels oder das Anlegen anderer Maßstäbe an Israel als an andere Länder nicht als antisemitisch betrachte. Anstatt ausschließlich die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu nutzen, die von zahlreichen jüdischen Mainstream-Organisationen be­vorzugt wird, benennt das Weiße Haus mehrere Definitionen von Antisemitismus als »wertvoll« für das Strategiepapier. Zwar sei die IHRA-Definition der wichtigste Bestandteil des Papiers, allerdings, so berichtet die »New York Post«, begrüße und würdige die Regierung das sogenannte Nexus-Dokument »und nimmt andere derartige Bemühungen zur Kenntnis«.

Dagegen regte sich sofort Widerstand. Die Zionist Organization of America erklärte: »Das Nexus-Dokument besagt, dass die Opposition gegen den Zionismus – also das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung und auf ein Leben in einem Nationalstaat in seiner religiösen und angestammten Heimat – nicht notwendigerweise antisemitisch ist.« Damit verkenne das Nexus-Dokument, »dass für viele, wenn nicht sogar für die meisten Juden die Verbindung zu ihrem religiösen und angestammten Heimatland ein wesentlicher Teil ihrer jüdischen Identität ist«.

Liora Rez, Geschäftsführerin der Watchdog-Gruppe StopAntisemitism, sagte der »Post«, sie sei »äußerst beunruhigt über mehrere Schlüsselaspekte der Antisemitismusstrategie des Weißen Hauses«, der Biden-Plan greife zu kurz. Man habe im Weißen Haus nicht auf den Rat vieler jüdischer Organisationen gehört, auf die IHRA-Definition zu setzen, so Rez. »Der Plan erkennt zwar an, dass Juden wegen ihrer Verbindung zu Israel angegriffen werden, versäumt es aber, Antizionismus als primäre Form des Antisemitismus zu benennen«, wird sie zitiert.

CHANCE Der Geschäftsführer der Republican Jew­ish Coalition, Matt Brooks, erklärte, Biden habe die Chance gehabt, »eine entschiedene Position gegen Antisemitismus einzunehmen – er hat es vermasselt. Die IHRA-Definition von Antisemitismus ist die Definition, die von jeder jüdischen Mainstream-Organisation gebilligt wird. Sie ist unverzichtbar, weil sie anerkennt, dass Kritik an Israel antisemitisch ist, wenn sie Israel delegitimiert, dämonisiert oder mit zweierlei Maß misst«, so Brooks weiter.

Kritiker werfen Biden vor, die Erwähnung des Nexus-Dokuments sei eine Konzessionsentscheidung zugunsten der antizionistischen Linken bei den Demokraten. Das Nexus-Dokument, so Kritiker, habe nur den Zweck, den politischen Antizionismus, selbst in einigen seiner extremen Formen, davon freizusprechen, ein Auswuchs historischen Judenhasses zu sein. Die Definition besage fälschlicherweise, dass die meiste Kritik an Israel und dem Zionismus nicht antisemitisch sei.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, begrüßte den Entwurf zwar grundsätzlich, erklärte aber, die jüdische Welt sei sich einig über die zentrale Bedeutung der IHRA-Definition und wisse, »dass sie die beste Waffe im Kampf gegen Antisemitismus ist«. Dass die US-Regierung zusätzlich zur IHRA-Definition eine weitere Definition in den Entwurf aufgenommen hat, sei »eine unnötige Ablenkung von der eigentlichen Arbeit, die getan werden muss«, so Lauder.

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert