USA

10 Millionen für den ersten Spot

Michael Bloomberg hat seine Ambitionen auf das Weiße Haus aufgegeben. Foto: dpa

George H. Kemp Jr. hatte das Herz eines Champions. George liebte Football, die Tennessee Titans und die National Football League. George wollte Football-Profi werden, den Super Bowl gewinnen. Doch sein Lebenstraum wurde jäh beendet – von einer Kugel. »Auf George wurde geschossen. Er überlebte es nicht«, sagt seine Mutter.

Calandrian Simpson Kemp ringt noch immer um Fassung – knapp siebeneinhalb Jahre nach jenem verhängnisvollen Streit in Richmond, Texas, den der 20-jährige Football-Spieler des Navarro College mit seinem Leben bezahlte. Ein Football-Stipendium in seinem Namen und ein Fernseh-Spot halten die Erinnerung an George H. Kemp Jr. wach.

Spot Der Ein-Minuten-Spot, für den Michael Bloomberg, Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, zehn Millionen Dollar zahlte, lief während des Super Bowl, dem meist gesehenen TV-Ereignis des Jahres in den USA. Ironischerweise war der übertragende Sender in diesem Jahr Fox, Lieblingskanal von Donald Trump. Auch der Präsident gab zehn Millionen Dollar aus – allerdings für zwei Spots, die in ihrer Selbstbeweihräucherung beim neutralen Publikum wohl eher als Trump-Satire durchgingen. Bloomberg erwähnte den Präsidenten mit keiner Silbe.

Ihm, dem unermüdlichen Kämpfer gegen die rechtskonservative Waffenlobby NRA, genügte ein Blick auf eines der Schusswaffenopfer, die Amerika jährlich zurücklässt – auf George H. Kemp Junior. Dessen Mutter bezeichnet den Gebrauch von Schusswaffen als eine »nationale Krise«. Und ergänzt in Bloombergs Super-Bowl-Spot: »Ich habe mir immer wieder eingeredet, es könne nicht sein, dass das Kind, dem ich das Leben geschenkt habe, nicht mehr da ist.«

Michael Bloomberg führt einen verbissenen Kampf gegen die Waffenlobby.

Jährlich sterben 2900 Kinder in den Vereinigten Staaten durch Schusswaffen. Bloomberg, so sagt Calandrian Simpson, »hörte das Weinen der Mütter und begann zu kämpfen«. Diesen Kampf gegen die Volksbewaffnungsfantasien der NRA führt der Kandidat um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, der als republikanischer Bürgermeister zwölf Jahre lang die Geschicke New Yorks führte und doch im Herzen stets Demokrat blieb, schon lang und leidenschaftlich.

Diskrepanz Und dieser Super-Bowl-Spot sagt mehr aus über die Diskrepanz zwischen den beiden New Yorkern Michael Bloomberg (obwohl gebürtig aus Boston) und Donald Trump als manche Tiefenanalyse. Bloomberg, aus einer Familie jüdischer Immigranten aus Russland stammend, ist – wie Trump – Milliardär. Der studierte Ingenieur und Master of Business Administration machte sein Geld zunächst als Partner bei den Salomon Brothers, einer Wallstreet-Investmentbank (heute Morgan Stanley Smith Barney), wechselte zu Merryl Lynch und gründete die Finanzdaten-Agentur Bloomberg.

Längst ist daraus ein Medienimperium geworden. Doch anders als Trump nutzte Bloomberg seinen Reichtum stets für philanthropisches Engagement. Seit zehn Jahren ist er Teil der Initiative »The Giving Pledge« von Bill Gates und Warren Buffett, deren Mitglieder sich verpflichten, einen Großteil ihres Vermögens zu spenden.

Bloomberg ist Humanist und jemand, der stets versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Seinen Kampf gegen die NRA, den mächtigen Stimmengaranten Donald Trumps, führt er vielleicht auch deshalb so verbissen, weil er als New Yorker Bürgermeister den wohl schlimmsten Fehler seines politischen Lebens machte – und zeitweise selbst als Law-and-Order-Mann dastand.

Stop and Frisk Die Rede ist von der umstrittenen »Stop and Frisk«-Politik. »Stop and Frisk« war der Name für eine von Bloomberg abgesegnete Polizeimaßnahme, die es Beamten in New York erlaubte, schon bei vagem Verdacht Menschen auf der Straße anzuhalten und zu durchsuchen. Diese Taktik, die vor allem Afroamerikaner und Latinos traf, war höchst umstritten. Erst kurz vor seiner Kandidatur, Mitte November 2019, entschuldigte sich Bloomberg für »Stop and Frisk«: »Es war ein Fehler, und es tut mir leid.« Ein zwar ehrliches Eingeständnis, aber eines, das zu spät gekommen sein könnte.

Die Hybris vieler Demokraten, denen »Israelkritik« jetzt als salonfähig gilt, ist keine Einladung an Juden, demokratisch zu wählen.

Denn die von der harschen Law-and-Order-Strategie Meistbetroffenen sind ein entscheidender Wählerfaktor bei den Demokraten. Schwarze und Latinos waren für demokratische Bewerber bisher meist eine sichere Bank. Doch genau diese Stammwähler, ohne die Trump nicht zu besiegen ist, könnte Bloomberg nachhaltig verprellt haben. Kaum ein demokratischer Kandidat hat einen so unauslöschlichen Makel in Sachen Rassismus mit sich herumzuschleppen wie Bloomberg – und das in einer Partei, in der schwarze Wähler stets ein entscheidender Faktor waren. Umso wichtiger war ihm deshalb die Super-Bowl-Kampagne, die sich direkt an die – meist schwarzen – Opfer von Waffengewalt und Polizeiwillkür wendet.

Wählergruppe Auch eine andere, wichtige und bisher treue Wählergruppe droht den Demokraten und somit Bloomberg wegzubrechen – die seiner jüdischen Glaubensbrüder und -schwestern. Denn erstens ist die Millionenschar jüdischer Wahlberechtigter nicht mehr so homogen, und zweitens wurden viele von ihnen durch offen antisemitische Kandidaten wie die Kongressabgeordnete Ilhan Omar abgeschreckt.

Auch die Hybris vieler Demokraten, denen »Israelkritik« jetzt als salonfähig gilt, ist keine Einladung an Juden, demokratisch zu wählen. Bloomberg ficht das alles, zumindest äußerlich, nicht an. Mit seinen 78 Jahren setzt er alles auf eine Karte im Präsidentschaftswahlkampf. Die ersten vier Staaten bei US-Vorwahlen lässt er links liegen. Seine Abermillionen an Wahlkampfgeldern, die er aus eigener Tasche zahlt, steckt er lieber in TV-Kampagnen.

Iowa Nach dem Auszählungsdebakel der Demokraten in Iowa verdoppelt Bloomberg mal eben sein Budget für Fernsehwerbung. Im März, wenn der Wahlkampf in die bevölkerungsreicheren Staaten zieht, will er richtig einsteigen. Sein Hauptgegner, weil in vielem eine Jugend-Version Bloombergs, wird wohl Pete Buttigieg werden.

Eine Wählerin in Texas hat Bloomberg schon sicher: Calandrian Simpson Kemp. »Ich werde George sagen, dass er es geschafft hat. Football war seine Leidenschaft, seit er vier war. Und jetzt konnte die Welt meinen Sohn George Kemp Jr. im Super Bowl sehen. Er hat es geschafft, wenn auch anders als gedacht – aber seine Mutter ist sehr stolz auf ihn.«

Frankreich

Freizeitpark-Chef verwehrt israelischen Kindern den Zutritt

Der Betreiber des Parks hatte 150 israelische Kinder weggeschickt. Nun wurde er wegen Diskriminierung angeklagt. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft

 24.08.2025

Literatur

Vitaler Verteidiger der Freiheit

Zu seinem 96. Geburtstag beschenkt der wachsame Jahrhundertzeuge Paul Lendvai seine Leser mit einem neuen Buch

von Marko Martin  24.08.2025

Norwegen

Die nördlichste Synagoge der Welt

In Trondheim feiert die Gemeinde ihr hundertjähriges Bethaus. Zum Glück ist die Schabbat-Frage schon lange geklärt

von Elke Wittich  24.08.2025

Raubkunst

Drei Millionen Franken für Bührle-Stiftung

Die Stadt Zürich beantragt Kredit für vertiefte Provenienzforschung der Sammlung Bührle

 22.08.2025

New York

Monica Lewinsky stellt mit Amanda Knox Serie vor

Worum geht es in »The Twisted Tale of Amanda Knox«?

von Lukas Dubro  21.08.2025

Ukraine

Jude, Comedian, Freiheitskämpfer

Selten ist ein Staatsmann so sehr in seinem Amt gewachsen wie Wolodymyr Selenskyj. Die erstaunliche Karriere des ukrainischen Präsidenten

von Michael Gold  21.08.2025

Meinung

Für Juden in Frankreich ist das Spiel aus

Präsident Emmanuel Macrons antiisraelische Politik macht ihn zum Verbündeten der Islamisten und deren linken Mitläufern. Für Juden wird das Leben währenddessen immer unerträglicher

von Haïm Musicant  20.08.2025

Österreich

Jüdische Familie aus Taxi geworfen

In Wien beschimpfte ein Uber-Fahrer seine jüdischen Gäste und attackierte dann den Familienvater

von Nicole Dreyfus  19.08.2025

Tschechien

Im Versteck der Zeit

Auf einem Hügel über Brünn liegt die Villa Wittal, fast unberührt seit der Deportation ihrer Bewohner 1942. Bald wird sie ein Ort für Gäste aus aller Welt – und das Herz eines Festivals, das Geschichte und Gegenwart verbindet

von Kilian Kirchgeßner  19.08.2025