Jahrestag

Zwölf Monate in Freiheit

Es ist noch immer aufregend für ihn, das Fenster zu öffnen, durch die Natur zu spazieren oder die Umarmung eines lieben Menschen zu spüren. Vor allem sind es die kleinen Dinge, die Gilad Schalit berühren, ihm oft unwirklich und gleichsam so bedeutend vorkommen. Vor genau einem Jahr endete die Geiselhaft des israelischen Soldaten. Nach fünf Jahren kam der junge Mann aus den Fängen der Hamas im Gazastreifen frei. Jetzt spricht er zum ersten Mal ausführlich über die Monate im Verlies.

Er habe sich Spiele ausgedacht, um die Zeit irgendwie zu überstehen. »Meist hatten die mit Sport zu tun. Zum Beispiel habe ich mit Socken versucht, den Papierkorb zu treffen und Ähnliches.« Um nicht zu vergessen, habe er Skizzen von Israel und seinem Heimatort Mitzpe Hila gezeichnet, wo er heute gemeinsam mit seinen Eltern lebt.

Basketball Bislang hatte Schalit wenig über den 1.942 Tage dauernden Albtraum oder die Zeit danach preisgegeben. Immer war es sein Vater Noam gewesen, der zu den Journalisten oder Aktivisten sprach, die sich jahrelang dafür eingesetzt hatten, dass sein Sohn freikommt. Doch je mehr Zeit verstreicht, desto mehr scheint der 26-Jährige ins Leben zurückzufinden. Er wurde beim Radfahren gesehen, am Strand mit Freunden, und sogar das Feiern in einem Tel Aviver Club ließ er sich nicht nehmen. Für die Tageszeitung Yedioth Ahronoth arbeitet er gelegentlich als Basketball-Kolumnist.

Er scheint auch sein Lachen wiedergefunden zu haben. In dem Film, der am Abend des Jahrestages in Israel ausgestrahlt wird, kann Schalit sogar über das Hemd schmunzeln, das er am Tag seiner Freilassung trug und das anschließend zum letzten modischen Schrei in Gaza-City avancierte. »Erkennst du es?«, fragt er den Interviewer und hält es in die Kamera. »Das ist das berühmte Hemd von damals.« Dann zieht er eine Uhr aus dem Karton. »Die ist antik. Die habe ich im letzten Jahr meiner Geiselhaft bekommen. Die haben mir ein Geschenk gemacht.«

Seele Doch Schalit gibt auch tiefere Einblicke in seine Seele: dass nicht alles nach der Rückkehr rosig sei. »Es ist schwer, ins normale Leben zurückzufinden. Sozial ist es nicht leicht. Alle anderen Menschen scheinen sich weiterentwickelt zu haben, wurden erwachsen. Aber du fühlst dich, als wurdest du zurückgelassen.« Doch es sind die Liebe und Wärme der Familie und von Freunden, die ihm Stärke geben. Das habe er in der ganzen Zeit am meisten vermisst.

Auch einen Blick in die Zukunft erlaubt sich der Israeli. »Es wird hart für mich werden, meine Kinder in die Armee zu schicken. Aber letztendlich hat mich der Staat ja da herausgeholt. Deshalb habe ich keinen Zweifel, dass ich sie hingehen lassen werde.« Dennoch hoffe er, dass sein potenzieller Nachwuchs nicht mehr zum Militär müsse. »Aber es sieht nicht so aus, als würde das Realität werden.«

Krise

Alle gegen Bibi?

Ein in Israel verabschiedetes Gesetz macht es schwerer, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Kritiker sehen es auf Amtsinhaber Netanjahu zugeschnitten und fordern die Aufhebung. Das Oberste Gericht erwägt eine Verschiebung

von Christina Storz  28.09.2023

Diplomatie

Ohne Visum in die USA

Bislang mussten Israelis oft Monate vor der Reise einen Antrag stellen. Das ändert sich jetzt

von Sabine Brandes  28.09.2023

Israel

Oberstes Gericht berät erneut über Amtsenthebungsgesetz

Eine Amtsenthebung wäre demnach nur aus psychischen oder ähnlichen Gründen möglich

 28.09.2023

Analyse

Strategische Aufgabe

Premier Netanjahu und Präsident Biden trafen sich – doch wie geht es weiter?

von Sabine Brandes  28.09.2023

Israel

Grab als frühester Beleg für Feuerbestattung

Von einem »seltenen Zeugnis der hellenistischen Periode« ist die Rede

 27.09.2023

Israel

Aus dem Labor

Erstes kultiviertes Hühnerfleisch ist koscher

von Sabine Brandes  27.09.2023

Gesellschaft

Showdown auf dem Dizengoffplatz?

Der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, will eine Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum erzwingen

von Sabine Brandes  27.09.2023

Israel

Geheimdienst: Iran gab Mordanschlag auf Ben-Gvir in Auftrag

Fünf Verdächtige, darunter drei Palästinenser und zwei arabische Israelis, wurden verhaftet

 27.09.2023

Nahost

Durch die Vordertür nach Saudi-Arabien

Haim Katz leitet als erster israelischer Minister eine offizielle Delegation im Königreich am Golf

von Sabine Brandes  27.09.2023